Der Profi-Boxer Vitali Klitschko will Präsident werden. «Ich habe die Entscheidung getroffen. Ich werde kandidieren», bestätigte der Oppositionsführer gegenüber der ARD.
Im Ring hat er alles erreicht, was es zu gewinnen gab: Vitali Klitschko ist auch 15 Monate nach seinem (vorläufig) letzten Kampf noch aktueller Schwergewichtsweltmeister des Boxverbands WBC und gilt mit 45 Siegen (davon 41 durch Knockout) aus 47 Kämpfen als einer der grössten Boxer der Geschichte. Doch schon vor Jahren suchte sich Klitschko ein neues Betätigungsfeld für die Zeit nach der sportlichen Karriere und hat dieses in der ukrainischen Politik gefunden.
Gemeinsam mit seinem Bruder Wladimir engagierte er sich 2004 für die Orange Revolution. Zweimal nahm er bereits an den Bürgermeisterwahlen in Kiew teil – und lernte dort, was ihm aus dem Sport fast fremd ist: das Gefühl der Niederlage.
Erstmals seit dem Beginn der Massenproteste sind gestern Präsident Viktor Janukowitsch und die pro-westliche Opposition zu einem Krisengipfel zusammengekommen. Janukowitsch lehnte dabei den von der Opposition geforderten Rücktritt der Regierung erneut ab. Als Zugeständnis schlug er eine Amnestie für alle vor, die während der Proteste festgenommen worden waren. Oppositionsvertreter Vitali Klitschko sagte nach dem mehrstündigen Treffen, die Regierung sei keinen Schritt auf die Opposition zugegangen. Er beharrte auf der Forderung nach einem Machtwechsel. (sda)
Schwieriger als Boxkampf
Mit seiner Partei «Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen», abgekürzt zum griffigen «Udar» (Punch, Schlag), trat Klitschko 2012 bei den Parlamentswahlen an und musste dabei feststellen, dass der Wahlkampf schwieriger ist als der Boxkampf: «Beim Boxen gibt es Regeln. Der ukrainische Wahlkampf hingegen erinnert an einen Kampf ohne Regeln», sagte er.
Trotzdem schaffte er es mit seiner Partei auf den dritten Platz und wurde Abgeordneter der Rada, des ukrainischen Parlaments. Seine politische Unerfahrenheit spielte er dabei als Trumpf aus: Seine Partei sei neu und unverbraucht und daher nicht von dem in der Ukraine allgegenwärtigen Korruptionsvirus befallen, wurde Klitschko nicht müde zu betonen. Tatsächlich sehen viele Ukrainer, die nach den Hoffnungen und Enttäuschungen der Orangen Revolution in eine politische Apathie verfallen waren, in ihm die Chance einer politischen Erneuerung des Landes.
Deutschland als zweite Heimat
Politisch steht Klitschko für eine Annäherung der Ukraine an den Westen. Deutschland, wo er zu sportlichem Ruhm gelangte, nennt er seine zweite Heimat. Die Standards, die er in Europa kennen gelernt hat, will er auf die Ukraine übertragen. Nur so habe das Land eine Chance, sich aus Korruption und Vetternwirtschaft zu befreien, sagt er. Diese Chance sei seine Motivation, sich in der Ukraine politisch zu engagieren.
Lange hatte er Gerüchte um seine Ambitionen auf das Präsidentenamt unkommentiert gelassen. Im August deutete er erstmals eine Kandidatur an. Nun hat er sich entschieden. Er wolle antreten, um Reformen durchzusetzen. Er glaube nicht, dass Amtsinhaber Viktor Janukowitsch dazu fähig und willens sei, sagt Klitschko. Umfragen sehen den Zweimetermann als aussichtsreichsten Herausforderer Janukowitschs.
Doch gerade in der Ukraine gilt Politik als Schlangengrube. Und so wurde direkt nach dem Beginn der Proteste in Kiew Klitschkos Account von Hackern attackiert. Anschliessend wurde im Internet tonnenweise kompromittierendes Material über angebliche Liebesaffären, uneheliche Kinder und illegale Geschäfte verbreitet. «Provokateure und Lumpen», reagierte Klitschko auf den Tiefschlag.