Sex nur noch mit einem Ja

Schweden hat eine umstrittene Verschärfung des Sexualstrafrechts beschlossen: ­ Wenn nicht beide Partner ausdrücklich zustimmen, ist Sex in Zukunft illegal.

Niels Anner, Kopenhagen
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Das neue Gesetz verlangt bei sexuellen Handlungen zwingend die ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten. (Symbolbild: Getty)

Das neue Gesetz verlangt bei sexuellen Handlungen zwingend die ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten. (Symbolbild: Getty)

Die Diskussionen über das sogenannte Einwilligungsgesetz haben Jahre gedauert, doch mit der #MeToo- und Missbrauchsde­batte kam plötzlich nachhaltig Bewegung in die Sache. Die rot-grüne Regierung brachte diese Woche eine umstrittene Gesetzesänderung ins Parlament – die per Akklamation gutgeheissen wurde, da niemand eine Abstimmung verlangte. Das neue Gesetz verlangt bei sexuellen Handlungen zwingend die ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten. Sexueller Kontakt ist damit ab dem 1. Juli verboten, wenn nicht beide Partner aktiv eingewilligt haben – mit Worten, Körpersprache «oder auf andere Art und Weise». Ist die Situation unklar, ist nachfragen nötig. Es geht also nicht darum, wie im Verlauf der Entstehung des Gesetzes in ausländischen Medien teilweise spöttisch geschrieben wurde, dass ein schriftlicher oder mündlicher Sex-Vertrag abgeschlossen werden muss. Wohl aber muss eine klare Zustimmung vorliegen, und dies zu jeder Zeit, bei jedem Akt.

Das Gesetz definiert nicht genauer, wie die Einwilligung aussehen soll. Namhafte schwedische Juristen halten es deshalb für wenig wirkungsvoll. Aus Sicht der Regierung geht es aber darum, zu betonen, dass Sexualität auf völliger Freiwilligkeit beruhen müsse. «Dies entscheidet, ob es ein Übergriff ist oder nicht», erklärte Justizminister Morgan Johansson, der davon ausgeht, dass der tiefe Anteil Verurteilungen bei Sexualdelikten ansteigen wird. Gleichzeitig wird eine leichte Verschärfung der Strafen für Übergriffe und Vergewaltigung eingeführt.

Positive Effekte auf ­ das Verhalten

Ändern wird sich insbesondere die Tatsache, dass für eine Verurteilung nicht wie bisher Gewalt, Einschüchterung, Machtausübung auf ein Opfer oder Ausnützung eines hilflosen Zustands vorliegen muss, sondern eine Vergewaltigung ist gegeben, wenn kein «Ja» geäussert wurde; und Passivität ist keine Zustimmung. Damit soll die Situation für die Opfer vereinfacht werden, da kein Nein oder Sich-zur-Wehr-Setzen verlangt wird. Gerade in der Debatte um sexuelle Belästigung ist dies immer wieder ein wichtiger Punkt: Viele Frauen beschrieben, wie sie bei Übergriffen wie gelähmt waren und aus Scham oder Angst weder aufbegehrten noch Anzeige erstatteten.

Dass mit dem Gesetz allein Machtverhältnisse nicht aus der Welt geschafft werden, hat auch die Regierung erkannt. Sie erhofft sich aber positive Effekte auf das Verhalten und will dies mit einer insbesondere an junge Menschen gerichteten Informationskampagne unterstützen. Die Debatte in Schweden wird durch das Gesetz sicherlich noch verstärkt. Kritiker sprechen dennoch von «politischem Populismus». Sie verweisen auf Kanada, Kalifornien und Grossbritannien, die ähnliche Regelungen kennen, aber die Erfahrung machen, dass weiterhin schwierige Situationen entstehen. Auch rechtlich, zumal oft Aussage gegen Aussage steht. Schwedische Juristen sind der Ansicht, dass das bisherige Gesetz genügt hätte – und dass auch mit dem «unklaren» Einwilligungsgesetz noch viel vom einzelnen Richter abhänge. Die oppositionellen Konservativen fordern, dass nun die Polizei personell, auch mit Experten, verstärkt werde, um in Missbrauchsfällen schneller und besser ermitteln zu können.

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