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Die Arbeitslosigkeit in Österreich explodiert in der Coronakrise. Dank Schutzmaske könnten bald schon viele Geschäfte wieder öffnen. Ein Vorbild für die Schweiz?
Andreas steht im Eingangsbereich eines Supermarkts in einem Randbezirk von Wien. Die Sonne scheint, er trägt eine Maske. Kunden kommen in den Markt. Und wie ein Mantra trägt er vor: "Masken erhalten sie beim Bezahlen an der Kasse." Sein Job ist es an diesem Tag zu schauen, dass nicht zu viele Leute in den Markt kommen – nicht Masken auszuteilen. Immer wieder schweift sein Blick durch die Regalreihen. "Gedränge soll halt keines aufkommen", sagt er.
Bei der Filiale einer anderen Kette ein paar Gassen weiter ein ganz anderes Bild: Da steht ein junger Mann im Eingangsbereich und teilt mit einer Pinzette Masken an eintretende Kunden aus. Einer schlupft vorbei. "Halt!", ruft der Mann – und hält ihm mit der Pinzette eine Maske entgegen.
Seit heute gilt in Österreich: Wer einen Supermarkt betritt, muss eine Maske tragen. Nur, wie das genau umgesetzt werden soll, war nicht ganz klar. Manch Supermarkt händigt die Maske mit dem Kassenbon aus, andere erlauben nur mit Maske den Zutritt. Auch die Einführung einer generellen Maskenpflicht in der Öffentlichkeit steht im Raum. Vor allem aber, wie seitens der Regierung kommuniziert wurde: Sollte sich er Einsatz von Masken bewähren, sprich sollte er sich in den Infektionsraten niederschlagen, könnte das zum Modell für eine Schrittweise Wiederbelebung des Einzelhandels werden. Denn die Krise knackte in Österreich am Mittwoch einen historischen Rekord: Binnen eines Monats stieg die Zahl der Arbeitslosen um 52 Prozent auf 562522 Personen. Das ist die höchste zahl an Arbeitslosen seit 1946.
Andreas am Supermarkteingang ist einer von jenen, die das bereits zu spüren bekommen: Im Markt arbeitet er erst seit zwei Wochen, nachdem die Logistikfirma, bei der er ursprünglich arbeitete, seine Stunden reduziert hat. Jetzt hat er zwei Jobs: Bei der alten Firma und im Supermarkt. Angst hat der junge Mann keine, wie er sagt. "Aber lustigere Jobs gibt es auch."
Österreichs Regierung hatte in den vergangenen drei Wochen schrittweise die Vorgangsweise und die Tonart verschärft: Erst waren Massenveranstaltungen untersagt, dann der Handel und das Wirtschaftsleben auf ein Minimum zurückgefahren worden, schliesslich gilt seit etwas mehr als zwei Wochen praktisch eine Ausgangssperre und eine Kontaktverbot. Soll heissen: Im öffentlichen Raum sind Ansammlungen mehrerer Personen, die nicht im selben Haushalt leben, untersagt. Generell ist Distanz zu wahren. Spazierengehen ist aber ausdrücklich erlaubt – auch wenn Parks sowie Sport- und Spielplätze geschlossen sind.
Was sich nach Abschluss des ersten Quartals 2020 aber mit voller Wucht in messbaren Zahlen niederschlägt, ist der wirtschaftliche Einbruch, den das mit sich gebracht hat. Daher auch die Überlegungen, wie man schrittweise wieder hinaus kommt – oder aber wie man diesen Ausnahmezustand über einen längeren Zeitraum, etwa bis in den Herbst, aufrecht erhalten könnte.
Beobachter werten die Maskenpflicht in den Supermärkten denn auch vor allem als psychologische Massnahme, um die Öffentlichkeit noch einmal zu sensibilisieren – und zugleich ist sie wohl ein Testballon. Schliesslich ist der Lebensmittelhandel derzeit die einzige Handelssparte, die öffnen darf. Und das könnte zum Modell für andere Wirtschaftssparten werden – vor allem aber auch für die Freizeit.
Zyniker merken an: Es sei Kanzler Kurz gewesen, der noch vor zwei Jahren stolz ein als Burkaverbot gebrandmarktes Vermummungsverbot im öffentlichen Raum umgesetzt hat – ein Gesetz, das für viel Verwirrung vor allem bei Fahrradfahrern und Winterspaziergängern sorgte, aber kaum Muslima betraf. Und jetzt das.
"Sie wollen, dass wir Masken tragen", sagt ein Herr um die 60 vor einem Supermarkt in Wien. Die Maske hat er sich aber gleich am Ausgang vom Gesicht gerissen. Stickig sei es darunter, sagt er. Und er setzt nach: "Sie wollen, dass wir sie immer tragen."
Denn was sich vor allem an den vergangenen Wochenenden angesichts traumhaften Frühlingswetters gezeigt hat, ist dass die Menschen nicht in den Wohnungen zu halten sind. In Massen strömten sie in die Wälder im Wiener Umland oder auf die Donauinsel – eine 21 Kilometer lange schmale Insel zwischen der fließenden Donau und einem bei Hochwasser genutzten Entlastungskanal. Die große Mehrheit der Menschen ist dabei äußerst diszipliniert und hält Abstand. Und auf der Insel selbst wie in anderen Gebieten zerstreuen sich die Menschenmassen auch. Auf den Fußgängerbrücken auf die Insel oder Wegen in die Wälder aber staute es sich.