Russland
Statt Putsch gibts Tee: Putin designiert Medwedew wieder zum Nachfolger

Putin holt Medwedew wieder hervor, um Gerüchte über ein Komplott zu beenden.

Axel Eichholz, Moskau
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Wieder ein Team: Wladimir Putin mit Premier Dmitri Medwedew.RIA Novosti/Reuters

Wieder ein Team: Wladimir Putin mit Premier Dmitri Medwedew.RIA Novosti/Reuters

REUTERS

Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew ist am Montag 50 Jahre alt geworden. Das wertvollste Geschenk erhielt Medwedew bereits im Vorfeld der Wahlen. Putin zeigte sich zum ersten Mal seit Jahren wieder zusammen mit seinem langjährigen Duopartner auf dem Bildschirm. Die beiden machten zusammen Frühsport, grillten und frühstückten gemeinsam. Das besiegelte sichtbar Medwedews Wiederberufung zu Putins designiertem Nachfolger.

Gerüchte über Komplott

Der Grund dafür ist für politisch interessierte Russen ein offenes Geheimnis. In den letzten Wochen verdichteten sich die Gerüchte, wonach im Kreml angeblich an einem Komplott zum Sturz Putins geschmiedet wird. Medwedews Comeback soll nun offenbar zeigen, dass sich an der bisherigen Konstellation nichts ändern soll.

Während der Sowjetzeit leiteten «Kreml-Astrologen» Hinweise auf das Kräfteverhältnis im Kreml von der Aufstellung der Politbüromitglieder bei Militärparaden auf der Tribüne des Leninmausoleums ab. Seit der Wende in Russland bleibt diese leer, und politische Experten sind auf andere Anzeichen der Clankämpfe angewiesen. Das Augenmerk der politischen Beobachter richtet sich verstärkt auf den engsten Freundeskreis des Präsidenten.

Das neue Politbüro 2

Neben diesen Männern werden der Präsidialamtschef Sergej Iwanow, Putins Erdölmagnat Igor Setschin, der oberste Waffenhändler Sergej Tschemesow, der Putins Geheimkasse überwachende «Buchhalter» Gennadi Timtschenko und mehrere andere zum «Politbüro 2» gezählt. Wer genau es ist, weiss niemand.

Auch hinkt der Vergleich mit dem exsowjetischen Politbüro. Denn bei diesem handelte es sich um eine institutionalisierte Parteistruktur, die sich aus dem Zentralkomitee (ZK) der Kommunistischen Partei rekrutierte. Den meisten Einfluss hatten damals Politbüromitglieder, die gleichzeitig den Status von ZK-Sekretären besassen. Dagegen können heute wildfremde Figuren plötzlich in Putins oberstes Führungsgremium aufsteigen. Das einzige Kriterium ist das Verhältnis zum Chef.

Putin soll aussteigen wollen?

Es gibt aber auch eine unverkennbare Parallele zum einstigen Politbüro. Heute wie damals ist der Wechsel an der Spitze nur durch einen Putsch möglich. So ist von der Vorbereitung eines «Putsches der Generäle» die Rede. In der extremen Form dieses Gerüchts wird dieser Putsch angeblich von Präsidialamtschef Sergej Iwanow – und zwar im Auftrage von Putin selbst – angeführt. Iwanow solle auch neuer Präsident werden. Der Sinn dieser Verschwörung wird damit erklärt, dass es für Putin höchste Zeit sei, «sich aus dem Staube zu machen», er wisse aber sonst nicht, wie er schmerzlos aussteigen könnte.

Medwedew, der «Oberputschist»?

Diese Theorie überzeugt kaum, weil Putins Abhängigkeit von der Droge Macht allgemein bekannt ist. Freiwillig wird er den Thron nicht verlassen. Also bleibt nur ein richtiger Putsch in exsowjetischer Manier. Nach dem Tode Stalins habe das Politbüro auf Chruschtschow gesetzt, der das schwächste Kettenglied in der Führungsriege gewesen sei, sagt der Chefredakteur des kritischen Senders Echo Moskaus, Alexej Wenediktow.

Also habe sich die Führung beim Putsch gegen Chruschtschow 1964 für Breschnew entschieden, der – sicher zu Unrecht – als einfältig und sogar dümmlich galt. Diesmal biete sich Medwedew für diese Rolle geradezu an. So erscheint die jetzige Aufwertung durch Putin als raffinierter Schachzug. Danach würden die mutmasslichen Putschisten ihm die Komplizenschaft kaum anbieten.