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Künftig können lebensverlängernde Massnahmen bei Todkranken abgelehnt werden. Protest kommt von katholischer Seite, obwohl aktive Sterbehilfe auch im neuen Gesetz verboten bleibt.
In Italien werden die Patientenverfügungen «Biotestamento» genannt. Das neue Gesetz sieht vor, dass jeder künftig selber entscheiden kann, ob und wie er im Falle einer tödlichen, irreversiblen Krankheit behandelt werden möchte.
Damit das «Biotestamento» gültig ist, muss es von einem Notar beglaubigt werden; ausserdem muss eine Vertrauensperson benannt werden, die im Fall, dass der Patient nicht mehr bei Bewusstsein ist, mit den Ärzten über das Vorgehen entscheiden wird. Regierungschef Paolo Gentiloni nannte das Gesetz «einen grossen Schritt vorwärts beim Schutz der menschlichen Würde».
Mit dem Gesetz soll insbesondere der «therapeutische Übereifer» eingedämmt werden – also Behandlungen für Schwerkranke, die bloss noch das Leiden verlängern, ohne dass ein Funken Hoffnung auf Heilung besteht. Namentlich darf künftig auch die künstliche Ernährung und Hydrierung sowie die Beatmung eingestellt werden, wenn der Betroffene oder der von ihm dazu Bevollmächtigte dies entscheidet. Bisher haben in Italien im Streitfall Richter darüber entschieden, ob Beatmungsgeräte abgeschaltet oder Magensonden entfernt werden.
Dem Gesetz ist ein jahrelanges Ringen vorausgegangen – entlang der Fronten, die sich auch bei anderen ethisch sensiblen Themen jeweils gegenüberstehen. Katholische Kreise in allen Parteien sprachen im Zusammenhang mit den Patientenverfügungen von «Euthanasie», obwohl aktive Sterbehilfe auch im neuen Gesetz verboten bleibt. Möglich wurde die Verabschiedung des Gesetzes durch die gemeinsame Unterstützung der Vorlage durch den sozialdemokratischen PD von Gentiloni und die Protestbewegung von Beppe Grillo – eine politische Allianz mit Seltenheitswert. Hilfreich war auch eine Intervention von Papst Franziskus, der erklärt hat, dass der Verzicht auf «therapeutischen Übereifer» nicht gleichzusetzen sei mit Sterbehilfe.
Weil bisher ein entsprechendes Gesetz fehlte, sind in den letzten Jahren zahlreiche Italiener zum Sterben in die Schweiz gereist, wo sie die Dienste von Sterbehilfeorganisationen wie Exit oder Dignitas in Anspruch nahmen. Grosses Aufsehen hat in diesem Jahr das Schicksal von Fabiano Antoniani – wegen seiner Passion für das Musikauflegen von seinen Freunden DJ Fabo genannt – erregt. Der 39-Jährige war seit einem Autounfall vollständig gelähmt. In einer bewegenden Video-Botschaft an Staatspräsident Sergio Mattarella hatte er gefordert, dass endlich ein Gesetz erlassen werde, das es Menschen wie ihm erlauben würde, in Italien freiwillig aus dem Leben scheiden zu können. Er selber hat das von ihm geforderte Gesetz nicht mehr erlebt: Er schied im Februar in der Schweiz aus dem Leben.