Krise
Stürzt ein Mord im Dunstkreis der IRA die nordirische Regierung?

Ein Mord führte in Nordirland zu einer Regierungskrise. Zerbricht das Kabinett, könnte bald wieder London in Belfast bestimmen, wos langgeht.

Ralf Sotscheck, Dublin
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Das Parlamentsgebäude in Belfast

Das Parlamentsgebäude in Belfast

Keystone

Nordirland steckt wieder in der Krise. Genauer: einer Regierungs-Krise. Premierminister Peter Robinson von der Democratic Unionist Party (DUP) ist am Donnerstagabend «beiseitegetreten». Diese Formulierung ist wichtig, denn wäre Robinson offiziell zurückgetreten, hätten Neuwahlen ausgeschrieben werden müssen. Die anderen DUP-Minister haben ebenso ihre Stühle geräumt – bis auf die Justizministerin Arlene Foster. Sie führt die Regierungsgeschäfte kommissarisch.

Grund für die Krise ist ein Mord, der von der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) verübt wurde. Im August wurde das ehemalige IRA-Mitglied Kevin McGuigan erschossen. Der Mord war offenbar ein Racheakt: McGuigan war Verdächtiger für die Erschiessung des IRA-Kommandanten Gerard Davison im April. Der soll vor zehn Jahren angeordnet haben, McGuigan wegen Drogengeschäften mit einem Knieschuss zu bestrafen.

Die nordirische Polizei erklärte, dass IRA-Mitglieder zwar für den Mord an McGuigan verantwortlich seien, die Tat aber nicht von der IRA-Führung abgesegnet worden sei. Die IRA und Sinn Féin, ihr früherer politischer Flügel, stehen voll und ganz hinter dem Friedensprozess, fügte ein Polizeisprecher hinzu.

Robinson sieht das anders. Er sagte, die blosse Existenz der IRA, die sich angeblich vor zehn Jahren aufgelöst und ihre Waffen vernichtet hatte, sowie die Tatsache, dass Sinn Féin mit einem Mord in Verbindung gebracht werde, sei inakzeptabel. Die drei Sinn-Féin-Mitglieder, die in Zusammenhang mit dem Mord verhaftet worden waren, sind am Donnerstagabend ohne Anklage freigelassen worden.

Die Regierungen in London und Dublin beraten am Wochenende, ob die Institutionen in Belfast zu retten sind, oder ob London wieder die Direktherrschaft übernimmt. DUP und UUP müssten binnen einer Woche neue Minister nominieren. Andernfalls könnte das Parlament die Posten an die in der Regierung verbliebenen Parteien vergeben. Eine Regierung aus Sinn Féin, der sozialdemokratischen katholischen SDLP und der neutralen Alliance Party ohne Beteiligung einer protestantisch-unionistischen Partei wäre aber nicht überlebensfähig.