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Der Thronfolger von Liechtenstein, Erbprinz Alois, gebietet über ein Land mit 40'000 Einwohnern. Er sagt, was er von fremden Richtern und Schweizer Einwanderern hält und wie es ist, auf einem Schloss zu leben.
Ein Bediensteter hat den Raum im Schloss Vaduz sorgfältig hergerichtet: Frische Blumen, Fotos und Bücher säuberlich angeordnet, Gläser und Wasser stehen bereit. Punkt 14 Uhr schreitet der Kronprinz herein und öffnet sogleich die schweren Fenster: «Etwas Durchzug tut gut!» Der älteste Sohn von Fürst Hans Adam (73), vor kurzem 50 geworden, führt die Amtsgeschäfte im Kleinstaat. Die Fürstenfamilie gilt als die reichste Adelsfamilie Europas – allein das Finanzvermögen beträgt laut «Bilanz» 3 Milliarden Franken, hinzukommen die LGT-Bank, die der Familie gehört, Immobilien, Weingüter und bedeutende Kunstsammlungen.
Erbprinz Alois: Nein, das ist mir nicht wichtig. Ich habe hier die Volksschule und das Gymnasium besucht und war mit meinen Schulkameraden immer per Du. Das ist auch heute noch der Fall. Bei offiziellen Anlässen ist es etwas anders, da ist «Durchlaucht» die formal richtige Anrede, ähnlich wie «Exzellenz» für das Staatsoberhaupt einer Republik.
Da gibt es die verschiedensten Varianten. Viele Leute schätzen es, das Staatsoberhaupt mit einer besonderen Anrede zu begrüssen und sagen deswegen «Durchlaucht». Bei meinem Grossvater und Vater kam es auch schon vor, dass die Leute einfach «Hoi Fürst» gerufen haben. In Liechtenstein herrscht eine Duz-Kultur, da sind der Fürst und der Erbprinz nicht aussen vor.
Es gibt verschiedenste Anlässe, an denen ich mit der Bevölkerung zusammentreffe. Aber ich gehe natürlich auch ab und zu einkaufen. Oder man findet mich im Winter auf der Skipiste. Es kommt durchaus vor, dass Anliegen und Sorgen persönlich an mich herangetragen werden.
Ich hätte auf das Amt verzichten können. Dann wäre mein jüngerer Bruder zum Zuge gekommen. Doch mich haben die Aufgaben eines Staatsoberhauptes immer interessiert. Ich vergleiche die Situation bisweilen mit einem Familienunternehmen. Dort stellt sich auch die Frage: Wird das Geschäft von der nächsten Generation übernommen? Ich habe das gerne gemacht.
Ich habe nicht das Gefühl, etwas versäumt zu haben. Mir war klar, dass ich ab einem gewissen Alter stärker unter Beobachtung stehen würde, besonders während ich hier zur Schule gegangen bin.
Genau. Ich habe als Jugendlicher nicht bei jedem Blödsinn mitgemacht (lacht).
Das war schon speziell, gerade am Anfang haben sie grosse Augen gemacht, aber sie haben sich schnell daran gewöhnt. Es macht ja auch Spass, auf so einem grossen Schloss zu leben. Es gibt viele Räume – ideal, um Verstecken zu spielen.
Ich habe Ihnen gesagt, sie können frei entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. Mit dem ältesten Sohn habe ich häufig über die Aufgaben und die Politik gesprochen. Wir haben aber versucht, keinen Druck auszuüben. Es gibt keine Kurse für künftige Monarchen. Glücklicherweise interessiert sich mein Ältester für das Amt. Ich hole mir auch gerne einen Input von ihm und nehme ihn zu politischen Treffen mit. So wächst er sukzessive in die Aufgabe hinein.
Es freut mich. Die Welt wäre aber nicht zusammengebrochen, wenn er sich anders entschieden hätte. Es macht keinen Sinn, eine Aufgabe zu übernehmen, mit der man nichts anfangen kann.
Durchaus, es gibt kein Ablaufdatum für die Monarchie. Sie hat gegenüber einer Republik auch Vorteile, die leider wenig bekannt sind. Die Monarchie bringt Stabilität, Kontinuität und eine langfristige politische Ausrichtung, weil das Staatsoberhaupt nicht alle paar Jahre wieder gewählt werden muss. Für mich ist es einfacher, eine neutrale, vermittelnde Rolle zwischen den Parteien einzunehmen und mich für Minderheiten einzusetzen. Viele dieser Anliegen gehen im Wahlprozess unter.
2008, als unser Finanzplatz stark unter Druck geriet, war es für mich viel einfacher, eine Neuausrichtung anzusprechen und einzuleiten. Dasselbe gilt für die Altersvorsorge und die Pflegefinanzierung, die von der Politik immer gerne in die nächste Legislaturperiode verschoben werden. Die Rolle erlaubt mir, unpopuläre Themen aufs politische Parkett zu bringen.
Meiner Ansicht nach sind die Monarchien in Europa zwar populär, aber nicht populistisch. Auch ich mache meine Politik nicht aufgrund der jeweils letzten Meinungsumfragen. Zugleich sind mir die Sorgen meiner Mitbürger wichtig. Liechtenstein ist eine Mischung aus Monarchie und direkter Demokratie, denn das Volk kann dem Fürsten in einer Volksabstimmung durch einfache Mehrheit das Misstrauen aussprechen oder gar die Monarchie abschaffen.
Nein, der Rückhalt für die Monarchie ist in Liechtenstein sehr gross.
Man kennt sich und es gibt immer wieder Anlässe, wo man sich trifft. Der letzte Anlass, an dem viele zusammengekommen sind, war im Mai der 50. Geburtstag des dänischen Kronprinzen Frederik. Da waren die meisten europäischen Monarchien vertreten.
Nein, das Fest fand im eher familiären Rahmen statt, ohne viele Gäste aus anderen Königs- und Fürstenhäusern.
Ich glaube, dass viele Menschen einer kurzfristigen Politik überdrüssig sind, die von parteipolitischen Entscheidungen und Populismus geprägt ist. In Zeiten des Umbruchs und Unsicherheiten suchen sie stabile Werte und langfristige Orientierung.
Als Kleinstaat haben wir weder die militärische noch die wirtschaftliche Macht, unsere Interessen auf internationalem Parkett durchzusetzen. Der kleine Heimmarkt wird dann zum Problem, wenn uns der Zugang zu den Weltmärkten versperrt werden sollte. Deshalb ist der wachsende Protektionismus, den wir in vielen Staaten sehen, wohl das grösste Problem für uns.
Erbprinz Alois Philipp Maria von und zu Liechtenstein ist der älteste Sohn von Fürst Hans-Adam II. und der Fürstin Marie. Er besuchte die Volksschule und das Gymnasium in Vaduz und absolvierte dann eine Offiziersausbildung an der britischen Militärakademie Sandhurst. Anschliessend studierte er Recht in Salzburg und arbeitete bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen in London. 1996 kam er zurück ins Fürstentum. 2004 übernahm der Thronfolger als amtsausführender Stellvertreter des Landesfürsten die Regierungsgeschäfte. Er ist mit Sophie, Herzogin in Bayern, verheiratet und hat vier Kinder im Alter zwischen 17 und 23 Jahren. Der älteste Sohn, Prinz Joseph Wenzel Maximilian Maria von und zu Liechtenstein, soll dereinst seinem Vater nachfolgen.
Glücklicherweise sind bis jetzt weder unsere starke Exportindustrie noch der Finanzplatz wirklich betroffen. Allerdings bin ich zunehmend besorgt. Vor ein paar Jahren kam noch der starke Schweizer Franken hinzu, den wir natürlich gespürt haben.
Der Schweizer Franken ist immer noch sehr beliebt bei uns. Gäbe es eine Umfrage, würde sich die Bevölkerung eindeutig dafür aussprechen.
Mit dem Euro gibt es viele Unsicherheiten. Wir würden die Währung wohl nur wechseln, wenn auch die Schweiz den Euro einführen würde – nur ist das derzeit kaum denkbar.
Das ist bei uns innenpolitisch kaum ein Thema. Als wesentlich kleinerer Staat als die Schweiz haben wir uns immer schon mit ausländischen Richtern ausgeholfen. Eine Zeit lang befand sich sogar die höchste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit Liechtensteins im österreichischen Innsbruck. Mit der neuen Verfassung 1921 wurde das geändert. Aber wir haben immer noch viele Richter aus der Schweiz oder Österreich, die hier tätig sind. Einerseits brauchen wir eine ausreichende Anzahl von qualifizierten Leuten, wie auch in anderen Bereichen der Wirtschaft und der Staatsverwaltung. Anderseits sind die liechtensteinischen Richter durch die Kleinheit des Landes schnell befangen, weil man sich eben kennt. Sei es, weil man verwandt oder im gleichen Verein ist.
Es gibt keine Überfremdungsängste in Liechtenstein. Mit dem EWR-Beitritt haben wir eine Regelung gefunden, die gut funktioniert. Wir lassen Zuwanderung zu, aber in einem kontrollierten Ausmass. Es gibt eine Obergrenze.
Das kennen Sie aus der Schweiz selber: In Zeiten des Fachkräftemangels wünscht sich die Wirtschaft leichteren Zugang zu diesen Fachkräften. Allerdings ist eine grundlegende Änderung des jetzigen Modells nicht mehrheitsfähig und die Wirtschaft ist bisher gut damit gefahren. Sie hat sich auf Bereiche mit einer hohen Wertschöpfung konzentriert.
Der Finanzplatz hat sich positiv entwickelt, auch was den Fintech-Bereich betrifft. Zeit ist in der Start-up-Szene ein entscheidender Faktor, weil man die Produkte möglichst schnell flächendeckend anbieten will. Unsere Finanzmarktaufsicht hat sich deshalb frühzeitig auch mit Blockchain befasst. In Branchen, in der eine Goldgräberstimmung herrscht, gibt es aber immer auch problematische Aspekte. Nicht zuletzt aus diesem Grund möchten wir eine gute Regulierung auf den Weg bringen.
Heute bekommt der Finanzplatz in dieser Hinsicht gute Noten. Wir achten darauf, dass wir keinen Reputationsschaden nehmen. Deshalb sind wir ja aktiv und warten nicht nur ab, wie sich Blockchain entwickelt. Wir möchten so regulieren, dass unser Finanzplatz seriöse Dienstleister anlockt. Wir wollen die Spreu vom Weizen trennen.
Über Liechtenstein gibt es immer noch viele Klischees. Zum Beispiel, dass wir nur aus einem Finanzplatz bestehen, aber das stimmt nicht. Suspekt ist Liechtenstein nur jenen, die den Finanzplatz von früher kennen und noch nicht wahrgenommen haben, dass wir ihn in den vergangenen Jahren grundlegend verändert haben.
Wir sollten uns nicht auf dem Erfolg ausruhen, sondern uns wie ein gut geführtes Unternehmen auf die kommenden Herausforderungen vorbereiten. Die Staatsfinanzen haben wir wieder gut in den Griff bekommen, nun versuchen wir, uns auf die Digitalisierung einzustellen. Das gilt für die Wirtschaft ebenso wie für die Bildung. Ausserdem sollten wir in nächster Zeit durch weitere Reformen die Sozialversicherungen noch nachhaltiger absichern, eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen sowie die Raum- und Verkehrsplanung ökologischer ausrichten. Damit Liechtenstein weitere 300 Jahre erfolgreich sein wird.