Interview
«Trump steht vor einem unglaublich harten Jahr»

Der republikanische Politstratege Karl Rove schliesst nicht aus, dass der angeschlagene Präsident Trump nach der ersten Amtszeit zurücktritt. Über den aktuellen Flügelkampf in seiner Partei macht er sich aber keine Sorgen.

Renzo Ruf, Washington
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Wer wird 2020 ins Weisse Haus einziehen? Die ersten Kandidaten stehen schon in den Startlöchern. (Bild: Jabin Botsford/Getty (13. Januar 2019))

Wer wird 2020 ins Weisse Haus einziehen? Die ersten Kandidaten stehen schon in den Startlöchern. (Bild: Jabin Botsford/Getty (13. Januar 2019))

Karl Rove, der Budgetstreit dauerte fast fünf Wochen lang und Donald Trumps Beliebtheitsgrad nahm grossen Schaden. Ist der Präsident zu Beginn des Wahlkampfes 2020 angeschlagen?

Zweifellos. Trump ist der einzige zeitgenössische US-Präsident, dessen Zustimmungswerte nie die 50-Prozent-Marke geknackt haben. Obendrein wirkt sich jetzt der Teil-Shutdown negativ aus.

Nun findet die nächste Wahl erst im Herbst 2020 statt.

Ich nehme an, dass sich die Beliebtheitswerte des Präsidenten nach dem Ende des Teil-Shutdowns wieder etwas erholen werden. Aber es ist eine Tatsache, dass zwischen 40 und 45 Prozent der Bevölkerung regelmässig sagen, sie seien mit seiner Amtsführung unzufrieden.

Unter vielen Republikanern gilt Trump weiterhin als erfolgreicher Präsident. Dennoch könnte einer Ihrer Parteifreunde den Schluss ziehen, sein Verhalten schade den Republikanern.

Karl Rove

Karl Rove

Es gibt Anzeichen dafür, dass ihn jemand in den republikanischen Vorwahlen herausfordern wird – John Kasich beispielsweise, der frühere Gouverneur von Ohio. Aber die amerikanische Politik ist derzeit polarisiert: So wie Demokraten schon fast reflexartig ihresgleichen zur Hilfe eilen, wenn sie kritisiert werden, sprängen republikanische Aktivisten auch dem Präsidenten bei.

Sie haben öffentlich auch schon das Szenario entworfen, wonach Trump nach dem Ende seiner ersten Amtszeit den Bettel hinwirft. Gibt es dafür wirklich Anzeichen?

Der Präsident steht vor einem unglaublich harten Jahr. Sonderermittler Robert Mueller wird seine Untersuchung im Zusammenhang mit den russischen Einmischungsversuchen im Wahlkampf 2016 abschliessen. Auch versucht die neue demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus, dem Präsidenten ständig Steine in den Weg zu legen. Es ist, als würde sich Trump jeden Tag einer Darmspiegelung unterziehen müssen. Die Frage stellt sich deshalb, ob er sich das antun will.

Noch vor einem Jahrzehnt repräsentierten Sie die moderne Republikanische Partei, wie sie von Präsident George W. Bush geformt worden war – im Kern wertkonservativ, unternehmensfreundlich und im Aussenauftritt geschmeidig. Trump hat sich von fast allen diesen Positionen verabschiedet.

Keine Frage, in meiner Partei tobt derzeit ein Kampf zwischen dem populistischen Flügel und dem alten Establishment, wobei die Populisten Oberhand haben. In einigen Landesteilen wirkt sich dies positiv aus. In anderen haben die Wähler von diesem Populismus aber genug. Ich würde den Flügelkampf nicht überbewerten. Parteien ändern sich ständig.

Und deshalb folgt Ihre Partei nun einem Mann durch dick und dünn, der lange Jahre der Demokratischen Partei angehörte und seine heutige Widersacherin Nancy Pelosi finanziell unterstützte?

Trump ist ein Populist mit konservativen Instinkten – so beförderte er Abtreibungskritiker zum Obersten Gerichtshof. Dies stösst an der Basis auf Zustimmung. Es fehlt ihm aber an einer kohärenten Regierungsphilosophie.

Die einzige Konstante scheint sein Wunsch zu sein, die alte Ordnung zu zerstören.

Und offensichtlich stiess diese Absicht 2016 auf Zustimmung. Es war nicht der erste Moment in der amerikanischen Geschichte, in dem die Bevölkerung jemanden unterstützte, der das bestehende politische System aus den Angeln heben wollte. Dieselbe Bevölkerung sehnt sich dann aber auch nach einer Rückkehr zu ruhigeren Zeiten. Und das ist meine Sorge – Trump zettelt einen derartigen Tumult an, dass es für viele schlicht zu viel wird.

Auch die Demokraten bringen sich für 2020 in Stellung. Welche Auswirkungen hat der dortige Vorwahlkampf auf die parteiinterne Entscheidung bei den Republikanern?

Im Wahlkampf 2020 werden die rund 10 Prozent der Wähler, die weder mit Republikanern noch mit Demokraten sympathisieren, das Zünglein an der Waage sein. Wenn die Demokraten jemanden nominieren, der sich ganz links im politischen Spektrum ansiedelt, dann haben die Republikaner gute Chancen, diese Wähler für sich zu gewinnen. Das gleiche gilt für die Demokraten, wenn sie einen Kandidaten finden, der einige populäre Positionen des Präsidenten übernimmt.

Wenn Sie «ganz links im politischen Spektrum sagen», wen meinen Sie damit?

Eine Senatorin wie Kamala Harris aus Kalifornien oder Elizabeth Warren aus Massachusetts.

Zur Person: Karl Rove (68) war der Architekt des Wahlsieges von George W. Bush im Jahr 2000. Als dessen Chefstratege ermöglichte er ihm später die Wiederwahl. Seit seinem Rücktritt 2007 ist Rove eine treibende Kraft des ehemaligen Parteiestablishments.