Der Corona-Erreger verbreitet sich im Land, selbst der Vizegesundheitsminister ist erkrankt. Für die Regierung wird das zum Problem.
Ahmad Farahani war die Erregung anzusehen, als er am Montagmorgen im iranischen Parlament über die Ausbreitung des Corona-Virus berichtete. «Allein in meiner Heimatstadt Ghom», rief der Abgeordnete der gleichnamigen Stadt aufgebracht, «sind in den letzten Tagen 50 Menschen an den Folgen des Corona-Virus gestorben». 250 infizierte Iraner lägen in den Quarantänestationen der Pilgerstadt. Die Zahlen würden beweisen, dass die iranische Regierung die Wahrheit über die Seuche zu vertuschen versuche.
Der Abgeordnete klagte nach seinen schweren Vorwürfen über Unwohlsein und wurde in ein Krankenhaus eingeliefert, sein Sessel im Parlament gründlich desinfiziert. Bereits eine knappe Stunde später dementierte der stellvertretende iranische Gesundheitsminister Iraj Haririchi die Corona-Zahlen aus Ghom. Die Zahl der Corona-Toten im Iran belaufe sich auf 12, behauptete der Minister, der wenig später auf einer Pressekonferenz sichtlich angeschlagen zugeben musste, selbst mit dem Virus infiziert zu sein.
Tatsächlich könnte es sich bei den 50 Toten in Ghom um Opfer einer «normalen» schweren Grippe handeln. Doch sicher ist das nicht. Spätestens seit dem versehentlichen Abschuss der ukrainischen Boeing 737 zu Jahresbeginn, der erst mit dreitägiger Verzögerung zugegeben wurde, ist das Vertrauen in die iranische Regierung schwer erschüttert.
Die offiziellen iranischen Zahlen werden auch deshalb mit grosser Skepsis aufgenommen, weil im Vergleich mit anderen Staaten die Zahl der Corona-Toten im Iran innert kürzester Zeit rasant nach oben schnellte. Dies läge zumindest den Verdacht nahe, dass bei vielen Infizierten das Corona-Virus als Verursacher viel zu spät erkannt worden sei, berichtet die Nachrichtenagentur ILNA.
Das Teheraner Gesundheitsministerium meldete gestern den Tod von 19 Iranern. 139 Menschen hätten sich mit dem Sars CoV-2-Virus infiziert. Damit ist der Iran das Land mit den meisten Corona-Toten ausserhalb von China.
In einer Fernsehansprache versuchte Staatspräsident Hassan Rohani das Sars-Virus als eine westliche Verschwörung darzustellen. Ziel der Landesfeinde sei es, Panik zu verbreiten und das Land zum Stillstand zu bringen.
Dass fast alle Corona-Infektionen im Mittleren Osten ihren Ursprung im Iran haben, verschwieg Rohani seinen Landsleuten: In den Libanon wurde das Virus in einem Flugzeug der "Mahan-Air" exportiert. Drei Infizierte in Kuwait kamen aus der iranischen Grossstadt Mashhad, wo sich, wie in Ghom, mit dem Imam Reza-Schrein ein bedeutendes schiitisches Heiligtum befindet, das bis Mitte letzter Woche von Zehntausenden Gläubigen besucht wurde. Auch die Corona-Infektionen in Bahrain, Irak und Afghanistan lassen sich auf Iran zurückführen, der in arabischen Medien schon jetzt "Virenschleuder" verunglimpft wird.
Um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern, hat die iranische Regierung die Schliessung von Schulen, Universitäten und Kulturstätten in allen 14 Provinzen angeordnet.
Die Metrostationen in den Millionenstädten des Landes werden Schutzmasken von der Regierung inzwischen kostenlos ausgegeben. "Mit etwas Verspätung" habe die Regierung den Ernst der Lage erkannt und reagiere inzwischen äusserst effizient, betonen westliche Diplomaten in Teheran. Um die Seuche wirksam zu bekämpfen, sei das von massiven US-Sanktionen geplagte Land auf ausländische Hilfe angewiesen.