Ukraine
Vitali Klitschko will sich auf den Präsidentenstuhl boxen

Der Boxweltmeister Klitschko und Ex-Premier Timoschenko jagen sich gegenseitig Stimmen ab. Seit der heute 41-Jährige nebenbei in die Politik gegangen ist, um nach eigenen Angaben «die Ukraine zu retten», muss «Dr. Steelhammer» viel Neues lernen.

Paul Flückiger, Warschau
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«Schlag»: So heisst die Partei von Boxweltmeister Vitali Klitschko.key

«Schlag»: So heisst die Partei von Boxweltmeister Vitali Klitschko.key

«Ich verkaufe mich nie und werde dies nie tun», sagt Vitali Klitschko und blickt starr unter seinen dicken Augenbrauen hervor. Der Boxweltmeister hat gerade in Moskau gegen Herausforderer Manuel Charr gewonnen – zu Hause in Kiew indes überzeugt er vor den Parlamentswahlen vom 28. Oktober weniger.

«Dr. Steelhammer» muss viel lernen

Seit der heute 41-Jährige nebenbei in die Politik gegangen ist, um nach eigenen Angaben «die Ukraine zu retten», muss «Dr. Steelhammer» viel Neues lernen. Auf einer Pressekonferenz in Kiew versucht er den Vorwurf zu entkräften, er lasse sich von Oligarchen finanzieren. Seiner Partei «Udar» – zu deutsch «Schlag» – wird vor allem eine gefährliche Nähe zur regierungsnahen Energiehandelsfirma RosUkrEnergo nachgesagt.

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Keystone

Dies passt gar nicht zu Klitschkos selbst gewählter Rolle als Oppositionspolitiker. Bisher konnte sich der Profiboxer bei den Wählern als Alternative zu Julia Timoschenko verkaufen. Im Unterschied zur ukrainischen Oppositionsführerin habe er sein Vermögen ehrlich und erst noch mit den eigenen Händen erworben, sagen seine Anhänger.

Opposition aus dem Krankenhaus

Der eingekerkerten Timoschenko werfen viele Ukrainer dagegen vor, sie sei selber eine Oligarchin und habe mit ihrer Orangen Revolution weder die Korruption abgeschafft noch das Leben der einfachen Leute verbessert. Dies hat in den vergangenen Wochen dazu geführt, dass «Udar» bei der Wählergunst zulegen konnte, während Timoschenkos Partei «Batkiwtschina» («Vaterland») an Ort tritt.

Die politische Gefangene des Regimes um Staatspräsident Viktor Janukowitsch bekundet immer mehr Mühe, ihre ganz auf die eigene Person ausgerichtete Partei aus dem Gefängniskrankenhaus heraus zu führen. Abgeschnitten von Internet und Telefon kann Timoschenko nur über handgeschriebene Briefe kommunizieren. Zudem wurde ihre Spitzenkandidatur von der Wahlkommission abgelehnt. Dies alles macht sie zwar zur Märtyrerin, doch den Wahlkampf erleichtert es nicht.

Kein Schulterschluss

Umfragen zufolge könnten Timoschenkos «Vaterland» und Klitschkos «Schlag» die Wahlen zusammen zwar knapp gewinnen, doch Absprachen zwischen den beiden wichtigsten Oppositionsparteien gibt es auch sechs Wochen vor dem Urnengang so gut wie keine. Während es Timoschenko gelungen ist, Arsenij Jazenjuks «Front für den Wandel» in ihr Boot zu holen, findet die zierliche Ex-Premier bisher keine gemeinsame Sprache mit dem Hünen Klitschko. Die beiden Parteien drohen sich so die Oppositionsstimmen gegenseitig abzujagen.

Laut den jüngsten Umfragen des Razumkov-Instituts können heute nur vier Parteien damit rechnen, Ende Oktober die 5-Prozent-Hürde zu überschreiten. Neben der heutigen Regierungspartei PRU (28 Prozent), den beiden Oppositionsparteien «Vaterland» (26 Prozent ) und «Schlag» (12 Prozent ) gehört dazu noch die regierungsfreundliche Kommunistische Partei (8 Prozent).

Es drohen Wahlfälschungen

Allerdings rechnet die Opposition schon lange mit Wahlfälschungen. Dafür spricht nicht zuletzt, dass Janukowitsch im letzten November zum Wahlsystem seines halbautoritären Vorgängers Leonid Kutschma von 2002 zurückgekehrt ist. Demnach wird nur noch die Hälfte der Sitze über Parteilisten vergeben. Der Rest der Abgeordneten wird in Einerwahlkreisen gewählt. Die Opposition sieht vor allem jene Angeordneten als besonders anfällig für den späteren Stimmenkauf. Bereits früher hat sich der von den reichsten Oligarchen des Landes finanzierte Janukowitsch als hervorragender Abgeordneten-Käufer hervorgetan. Mehrheiten im Parlament konnten so schnell zu seinen Gunsten geändert werden.

Klitschko lässt sich davon nicht beeindrucken: «Wir wollen die beschämende Realität in der Ukraine verändern und eine Politik für Menschen machen», verspricht er. Doch Kritiker werfen dem politisch ambitionierten Sportprofi einen Schuss zu viel Naivität vor.