Populistische Parteien rütteln an den Grundfesten der EU. Angela Merkel verteidigt derweil Europa nach allen Kräften. Der Aufstieg der Populisten stärkt die Position der Kanzlerin im Wahlkampf.
Der Schneesturm an der amerikanischen Ostküste ist Angela Merkel ganz recht gekommen. Donald Trump hatte wegen des üblen Wetters nämlich das Treffen mit der Kanzlerin von Dienstag auf gestern Freitag verschoben. So traf Merkel also mit gestärktem Rücken bei Donald Trump in Washington ein.
Die Niederländer hatten am Mittwoch den Pro-Europäer Mark Rutte deutlich vor dem Rechtspopulisten und Anti-Europäer Geert Wilders gewählt. Für Trump ist die EU ein lästiges, bürokratisches, von abgehobenen Eliten gesteuertes Monster, in dem Deutschland die dominierende Rolle spielt. Merkel konnte dem US-Präsidenten gestern nun also erklären, dass die EU keineswegs vom Zerfall bedroht ist: Europa hält zusammen und ist gewillt, die Dinge notfalls in die eigenen Hände zu nehmen.
Merkels Begegnung mit Trump wurde seit Monaten mit Spannung erwartet. Die «New York Times» feierte die deutsche Kanzlerin nach dem Wahlsieg des Republikaners als die «letzte Verteidigerin des freien Westens». Andere sehen in Deutschland unter Merkel die moralische Führungsnation, die fast eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat und für den europäischen Zusammenhalt kämpft.
Auf der anderen Seite Donald Trump, der schon in der ersten Woche seiner Amtszeit für diplomatische Eklats mit Nachbarstaaten sorgte, Einreisesperren für Muslime verhängt und die Parole «America first» als oberste Doktrin seiner Politik herausgegeben hat.
Ohnehin ist Merkels Position in Deutschland wieder etwas gefestigter, nachdem sie noch vor ein paar Monaten deutlich an Zustimmung verloren hatte. Das liegt womöglich auch an Donald Trump, der den Nutzen der EU infrage stellt und damit dafür sorgt, dass jene Mehrheit in Deutschland, die die EU verteidigt, nun Trumps Gegenspielerin Angela Merkel stärkt.
Vor allem aber Populisten in Ungarn, Frankreich, Holland und in Deutschland selbst, die an den Grundfesten der EU rütteln, sorgen dafür, dass sich viele deutsche Wähler wieder hinter die Kanzlerin stellen, um eine berechenbare Politik dem wilden Populismus entgegenzusetzen, sagt Jan Müller, Populismusforscher an der Universität Rostock. Die Wahlen in den Niederlanden hätten gezeigt: «Wenn nicht eine Frage im Fokus steht, die sich mit Ja oder Nein beantworten lässt – wie etwa der Brexit –, dann wird es für politische Parteien, die auf Vereinfachungen setzen, schwer.»
Die allgemeine Krisensituation in Europa und unklare Zukunftsperspektiven führen also dazu, dass die Kanzlerin wieder etwas fester im Sattel sitzt. Tatsächlich schwächelt in Deutschland derzeit auch die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD), die in jüngsten Umfragen auf unter 10 Prozent gerutscht ist.
Noch auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise erreichte die Partei komfortabel zweistellige Werte und ist inzwischen in mehr als der Hälfte der 16 Landesparlamente vertreten – bei anstehenden Wahlen im Saarland, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein diesen Frühling wird sich ihre Präsenz in den Landesparlamenten weiter erhöhen.
Dennoch leidet die noch junge politische Kraft unter parteiinternen Streitigkeiten, vor allem aber an der Tatsache, dass ihr wichtigstes politisches Themenfeld nicht mehr im Fokus des Interesses steht. «Die Flüchtlingsfrage ist nicht mehr virulent, die Zuwanderung rückläufig», sagt Jan Müller.
Mit einem antieuropäischen Kurs allein und Kritik an zu viel Einfluss Brüssels, dem Ruf nach rigorosen Grenzkontrollen und der Forderung, notfalls die Euro-Zone zu verlassen, seien gerade in Deutschland keine Mehrheiten zu holen, ist Müller überzeugt. Eine Politik, die auf die Stärkung nationaler Kräfte und nationale Alleingänge in Europa setze, sei in Deutschland wegen der Geschichte des 20. Jahrhunderts in breiten Kreisen nicht populär.
Die verheerende Vergangenheit mit dem NS-Regime habe dazu beigetragen, dass viele Deutsche pragmatisch wählen und riskanten Experimenten eine Absage erteilen – eine Tatsache, von der Merkel profitieren könne.