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Ein explosiver Untersuchungsbericht enthüllt einen südafrikanischen Staat, der in den Händen einer einflussreichen Geschäftselite liegt. Auch Präsident Zuma soll ihr als Marionette gedient haben.
Wer eine Einladung von den Guptas erhält, darf sich freuen. Zum Tee reicht die indische Familie Zucker, Milch und 43 000 Franken. So viel kostet in Südafrika der Posten des Finanzministers, wie jetzt ein explosiver Untersuchungsbericht enthüllt. Der 355 Seiten dicke Report liest sich wie ein Agentenkrimi und beschreibt einen Staat in den Händen einer einflussreichen Geschäftselite. An der Spitze des Machtgefüges steht das Trio um die drei indischen Brüder Ajay, Atul und Rajesh Gupta. In Südafrika betreibt die millionenschwere Unternehmerfamilie mit ihrem Investmentvehikel Oakbay einen Fernsehsender, eine Tageszeitung, Bergbaukonzerne und eine Reihe weiterer Firmen.
Nach eigenen Angaben hat der Grosskonzern bisher mehr als 719 Millionen Euro in seine Geschäfte in der Kaprepublik gesteckt. Wie die frühere Ombudsfrau Thuli Madonsela jetzt in ihrem Bericht «Zustand der Eroberung» bekannt machte, dürfte die Freundschaft zu einem Mann massgeblich zu der Investmentstrategie der Guptas gehören: Bei ihrem Versuch, die Regierung zu lenken, soll Präsident Jacob Zuma den Guptas als Marionette gedient haben.
Bereits vor acht Monaten sorgte Vize-Finanzminister Mcebisi Jonas für Schlagzeilen, als er mit seiner geplanten Beförderung an die Öffentlichkeit ging. Jedoch sollte ihn nicht der Präsident zum Finanzminister ernennen. Stattdessen drängte dessen Sohn, Duduzane Zuma, auf ein Treffen. Nach mehreren Ablehnungen seien Jonas und Zuma Jr. letztes Jahr im Johannesburger Luxushotel Hyatt zusammengetroffen. Um die Unterhaltung ungestört fortzusetzen, habe Zuma den Politiker in eine nahegelegene Villa eingeladen – die Residenz der Guptas. «Ajay Gupta informierte Jonas darüber, dass er ihn zum Finanzminister machen würde. Er fragte, ob er einen Koffer bei sich habe, um 600 000 Rand (43 000 Franken) mitzunehmen», schreibt Madonsela in ihrem Bericht.
Jonas lehnte ab. Doch nur zwei Monate nach dem ominösen Treffen ernannte Zuma den wenig bekannten Politiker vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC), David van Rooyen, zum Finanzminister. Die Märkte brachen in Panik aus. Und die Landeswährung Rand fiel auf ein historisches Tief. Nach nur 48 Stunden im Amt, ersetzte Zuma van Rooyen auf öffentlichen Druck hin durch den erfahrenen Wirtschaftsexperten Pravin Gordhan.
Die ehemalige ANC-Abgeordnete Vytjie Mentor erhebt ähnliche Vorwürfe, wonach die Regierung von Zumas Geschäftspartnern infiltriert sei. Ihr hätten die Guptas angeboten, sie «innerhalb einer Woche» zur Ministerin zu machen – sofern sie ihren Geschäftsinteressen entgegenkomme. Mentor habe abgelehnt. Nur Augenblicke später habe Präsident Zuma den Raum betreten und ihr väterlich versichert: Es sei «okay».
Die Ergebnisse ihrer Ermittlungen hätte die in Südafrika hoch gefeierte Ombudsfrau bereits Mitte Oktober, am letzten Tag ihrer Amtszeit, präsentieren sollen. Doch Zuma ging vor Gericht, um die Veröffentlichung zu verhindern. Er habe nicht genügend Zeit gehabt, um Madonselas Fragen zu beantworten. Jetzt wurde dem Staatsoberhaupt der öffentliche Druck offensichtlich zu gross. Er zog seinen Antrag zurück und das Oberste Gericht verordnete, den Korruptionsbericht zu veröffentlichen.
Unregelmässigkeiten hat es demnach auch in der Führungsebene des Staatsfunks SABC und des nationalen Energiekonzerns ESKOM gegeben. Ob sich Zuma oder die anderen Beschuldigten wegen Korruption vor Gericht verantworten müssen, soll jetzt eine Untersuchungskommission herausfinden.
Unterdessen wächst der Zorn der Südafrikaner. Diese Woche hatten Tausende die Strassen Johannesburgs, Pretorias und Kapstadts überflutet, um gegen eine Beeinflussung der Regierung von aussen zu protestieren. Vor dem Sitz des Präsidenten musste die Polizei mit Tränengas und Gummikugeln gegen Oppositionsanhänger vorgehen. Diese forderten Zumas sofortigen Rücktritt. Auch in der Regierungspartei ANC mehren sich kritische Stimmen. Zwar werde die Partei Zuma nicht absetzen, sagte Generalsekretär Gwede Mantashe. Jedoch seien die Rücktrittsforderungen «ein Aufruf an Zumas Gewissen».