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Wegen Kim Jong Uns gesundheitlichen Problemen sind nun alle Augen auf seine Schwester Kim Yo Jong gerichtet. Sie könnte ihn beerben.
Viel wird derzeit über eine mögliche Thronfolge Kim Jong Uns spekuliert. Sein Halbonkel Kim Pyeong Il etwa kommt in Frage, genau wie sein Kims Halbbruder Kim Jong Chul. Auch hochrangige Militärs werden immer wieder genannt. Die wahrscheinlichste Nachfolge ist jedoch eine Frau: Kim Yo Jong, die Schwester des gesundheitlich angeschlagenen nordkoreanischen Machthabers.
Wer ist die Frau, die vielleicht schon bald an der Spitze eines nuklear bewaffneten Diktatoren-Staates steht? Seit ihrer Jugend sei Kim Yo Jong auf die Macht in Nordkorea vorbereitet worden, sagte der US-Nordkorea-Experte Michael Madden kürzlich der «Financial Times». Sie sei überdies ein Lieblingskind ihres Vaters Kim Jong Il gewesen und habe die beste Ausbildung in nordkoreanischer Politik genossen, die man bekommen kann. Damit habe sie selbst den chinesischen Präsidenten Xi Jinping bei einem Treffen beeindrucken können.
Vier Grundschuljahre soll die weibliche Kim in der Schweiz verbracht haben, genau wie ihr Bruder, der als Kind nahe Bern lebte. Der Öffentlichkeit näher bekannt wurde sie durch die Gipfeltreffen der Jahre 2018 und 2019, als sie stets im Hintergrund die organisatorischen Abläufe sicherstellte. Zudem reiste sie für die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang nach Südkorea. Ebenfalls ist Kim Yo Jong als Vizedirektorin für Propaganda für die «Soft Power» des Regimes zuständig – etwa indem sie den Personenkult um ihren Bruder orchestriert und Inspektionsbesuche plant.
Auf den ersten Blick würde es erstaunen, dass das streng patriarchale Nordkorea mit Kim Yo Jong vielleicht schon bald von einer Frau regiert werden könnte – zumal von einer derart jungen. Viele Beobachter halten das an sich für undenkbar. Dabei unterschätzen sie, dass die 32-Jährige das einzige Familienmitglied aus der «reinen» Paektu-Blutlinie abstammt, das für die Thronfolge in Frage kommen würde. Jene Blutlinie ist nach dem Berg «Paektu» benannt, von dem der Legende nach das koreanische Volk ursprünglich herkommt.
Grund für die Spekulationen ist Kim Jong Uns rätselhaftes Fernbleiben von den Festlichkeiten am 15. April, dem höchsten Feiertag des Landes. Seit dem 11. April haben die Staatsmedien zudem keine Fotos mehr vom Jungdiktator veröffentlicht.
Nachdem das in Seoul ansässige Fachmedium «Daily NK» unter Berufung auf eine nordkoreanische Quelle berichtet hat, dass sich Kim Jong Un von einer gescheiterten Operation an seinem Herzen erholen müsse, begann sich die mediale Spirale unaufhaltsam weiterzudrehen. Reuters griff zudem ein in China schon länger kursierendes Gerücht auf, demnach die Volksrepublik eine Ärztedelegation nach Nordkorea entsandt hat.
In der Zwischenzeit wurde zumindest Kims persönlicher Zug gesichtet, und zwar in der Küstenstadt Wonsan, wo sich auch eine Sommerresidenz von Nordkoreas Diktator befindet. Viel zu bedeuten hat das jedoch nicht, wie der in Südkorea lebende Überläufer Thae Yong Ho in einem Interview mit CNN verriet: Das Regime in Pjöngjang würde oftmals versuchen, mit solch falschen Fährten ausländische Geheimdienste in die Irre zu führen.
Doch abseits von den Gerüchten ist es kein Geheimnis, dass Kim Jong Un einen absolut selbstzerstörerischen Lebensstil führt: Er ist deutlich übergewichtig, raucht Kette und ist auch dem Alkohol nicht abgeneigt. Bei den US-Nordkorea-Gipfeltreffen hat Kim zudem offenbar selbst nach kurzem Treppensteigen schwer geatmet.
Aus Seoul heisst es derweil, Spekulationen über Kim Jong Uns Nachfolge seien verfrüht. Am Dienstag äusserte sich Südkoreas Vereinigungsminister bei einer Parlamentsanhörung so deutlich wie bislang kein Regierungsvertreter zu den Gerüchten: «Die Regierung weiss um Kim Jong Uns Aufenthaltsort», sagte Kim Yeon Chul – ohne jedoch seine Behauptung näher zu erörtern. Die Berichte über eine mögliche Herz-OP seien jedenfalls «fake news».