Brexit-Verhandlungen
Zuckerbrot und Peitsche für Edinburgh

Die britische Premierministerin Theresa May sagt den Regionen Mitspracherecht zu und warnt vor der schottischen Unabhängigkeit.

Sebastian Borger, London
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Nicola Sturgeon, Ministerpräsidentin Schottlands, möchte auf jeden Fall eine zweite Abstimmung vor dem endgültigen Brexit. James Glossop/Reuters

Nicola Sturgeon, Ministerpräsidentin Schottlands, möchte auf jeden Fall eine zweite Abstimmung vor dem endgültigen Brexit. James Glossop/Reuters

REUTERS

Die Austrittsverhandlungen mit der EU will die britische Regierung im Namen des ganzen Landes führen und dabei eng mit den Regionen zusammenarbeiten. Mit dieser Beteuerung wandte sich Premierministerin Theresa May am Dienstag im Unterhaus gegen das geplante Unabhängigkeitsreferendum der schottischen Regierung. «Dies ist kein Moment für ein politisches Spiel», sagte die englische Konservative.

Beide Parlamentskammern hatten tags zuvor das Austrittsgesetz der Regierung verabschiedet. Damit ist der Weg frei, den Brexit nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrages in die Wege zu leiten. May kündigte dafür eine weitere Regierungserklärung bis Ende des Monats an. Als Termin wird in London die letzte Märzwoche gehandelt.

In Edinburgh verwahrte sich die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon gegen ein «Diktat aus der Downing Street». Die Details der Volksabstimmung seien wie beim ersten Urnengang 2014 eine Sache für das Regionalparlament. Die Nationalistin hatte bei ihrer überraschenden Ankündigung am Montagvormittag einen Zeitkorridor zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019 genannt. Dann seien die Details der Austrittsverhandlungen mit der EU entweder klar absehbar oder gänzlich bekannt. Schottland müsse dann die Möglichkeit erhalten, dem «harten Tory-Brexit» zu entgehen, sagte Sturgeon.

Corbyn sorgte für Verwirrung

Oppositionsführer Jeremy Corbyn wich im Unterhaus einer Stellungnahme zu der wichtigen verfassungspolitischen Frage aus. Am Wochenende hatte der Labour-Politiker für Verwirrung gesorgt, indem er sich der erneuten Volksabstimmung gegenüber «ganz entspannt» zeigte. Meinungsumfragen zufolge will hingegen eine Mehrheit der Schotten von dem zweiten Votum nichts wissen. Da aber SNP und Grüne im Edinburgher Landtag eine Mehrheit haben, dürften sie kommende Woche gegen die Stimmen von Konservativen, Labour und Liberaldemokraten die ersten Schritte einleiten.

Dazu gehört ein formaler Antrag an das Parlament von Westminster: Dieses muss dem Regionalparlament die Zuständigkeit übertragen. In London gilt als sicher, dass sich die Regierung dem Anliegen nicht gänzlich verweigern wird. Hingegen dürften Mays Konservative mit Hinweis auf die laufenden Verhandlungen in Brüssel auf einen Termin nach dem endgültigen EU-Austritt pochen.

Wirtschaftsvertreter in Edinburgh warnten vor der Unsicherheit, die ein neuer Referendumskampf mit sich bringe. Es sei «entscheidend», dass die Regionalregierung an den Brexit-Verhandlungen beteiligt werde, sagte Liz Cameron von der schottischen Handelskammer.

So geht es weiter beim Brexit

Im Juni 2016 stimmten die Briten Ja zum Brexit, am Montag verabschiedete das Parlament das entsprechende Brexit-Gesetz.

AUSTRITTSERKLÄRUNG Premierministerin Theresa May will bis zum 31. März den Europäischen Rat offiziell vom Austrittswunsch in Kenntnis setzen. Der Startpunkt für die zweijährigen Austrittsverhandlungen.

EU-MANDAT Sobald das Schreiben aus London eintrifft, legt ein Sondergipfel der 27 Staats- und Regierungschefs Leitlinien fest. Die EU-Kommission schlägt darauf den Start der Verhandlungen und ein Mandat vor und lässt es vom Rat bestätigen.

VERHANDLUNGEN EU-Chefunterhändler Michel Barnier und seine gut 20 Experten geben sich 18 Monate für die Verhandlungen über den Austritt Grossbritanniens und Übergangsregelungen, etwa bis Oktober 2018.
RATIFIZIERUNG Auf EU-Seite muss das Austrittsabkommen vom EU-Parlament gebilligt und dann vom Rat angenommen werden – und zwar ohne Grossbritannien. May will den Vertrag auch dem britischen Parlament vorlegen.

FRISTENDE Das ganze Verfahren muss binnen zwei Jahren nach dem offiziellen Austrittsgesuch abgeschlossen sein, in dem Fall also wohl bis Ende März 2019. Eine Verlängerung ist möglich, wenn alle bleibenden EU-Staaten zustimmen. (sda)