Auch ein aufgeschlagenes Buch ist eine Skulptur: Anton Egloff zeigt in der Luzerner Galerie Apropos Werke aus fünf Jahrzehnten.
Es ist eine Begegnung mit Raum auf kleinstem Raum. Apropos, im Windschatten der ehemaligen Hochschule Luzern Kunst und Design in der Sentimatt gelegen, umfasst nur wenig Quadratmeter Fläche. In diesem Ausstellungsraum hat Anton Egloff sieben skulpturale Werke platziert. Sie erzählen die Geschichte von Lebensspuren, die zu Bildern werden, zeitlos frisch.
Wenn die Hand des 87-Jährigen über das gebogene Zinkblech seiner Blatt-Skulptur streicht, leuchtet die emotionale Spur im Raum auf. Egloff hat sich sein ganzes Leben lang mit Raum auseinandergesetzt. Als Leiter der Abteilung Freie Kunst an der ehemaligen Schule für Gestaltung Luzern hat er vielen Kunstschaffenden wertvolle Impulse gegeben, Haltungen beeinflusst und mit eigener Kunst Massstäbe gesetzt. Sein skulpturales Schaffen hat sich über viele Jahrzehnte ins Raumgedächtnis graviert und strahlt weit über die Zentralschweiz hinaus.
«Mit den Händen denken» ist eine Grundhaltung des Künstlers. Mit den Händen beobachtet und fertigt er, sie bringen ihm neue Bildsituationen. In «Bild-Denk-Schritten» entstehen seine Werke. Mittlerweilen fokussiert sich Egloff auf das reiche Material, das sich in seinem Atelier angesammelt hat und das er verändert, verdichtet, neu formt. Er lächelt. «Ich will nicht einen romantischen Haufen hinterlassen, sondern Gedanken weitergeben.»
Er spricht aus Lebenserfahrung: «Bilder entstehen und lösen einander ab. Da ist immer Bewegung. Bewegung im Raum. Spannungsvolle Annäherungen entstehen.» Seit jeher arbeitet Egloff mit Schichtungen und Überlagerungen. Diese Prozesse seines Schaffens kommen auf dem Objekt «Schnittpunkte» (1971) besonders plastisch zum Ausdruck: Aus den Druckklischees aus einer ehemaligen Luzerner Zeitungsdruckerei ist ein reliefartiges Höhenprofil entstanden, in denen sich die Bildüberlagerungen wie in einer Landschaft manifestieren.
Eine ganze Wand gehört dem zweiteiligen Werk «Profil eines Fluges»: In der Ecke steht eine Holzstange mit einer bronzenen Vogelskulptur am obersten Ende, am Boden liegen weitere Bronzevögel wie zu einem Nest geformt. Da ist viel Zwischenraum, der für Egloff immer wichtig gewesen ist. Was wird in dieser Zone sichtbar, die man als Leere bezeichnen könnte, aber trotzdem voller Raum ist?
In der jüngsten Arbeit «Denkmal mit Rückseite» (2020) hat Egloff ein Foto aus der Zeitung ausgeschnitten, das einen Arbeiter in gebeugter Haltung in einer Kobaltmine zeigt. Mit dem Ausschneiden hat er die Figur räumlich neu in Szene gesetzt. Dass auf der Rückseite des Fotos die Börsenkurse abgedruckt sind, ist ganz in seinem Sinne. Der schöne Zufall, wie ihn Egloff gerne wahrnimmt, lieferte gleich den pointiert kritischen Kommentar.
Auf einem Sockel ist ein grosses Buch aufgeschlagen, das eine gemalte Weltkugel zeigt. Die «Livre Sculpture» (1990), die auch Querbezüge zu Egloffs grösserem Projekt «Modelsystem» hat, ist hier explizit als Skulptur platziert. Das Buch soll nicht durchgeblättert werden. Umso intensiver wird erahnbar, wie sich in diesem Objekt noch vieles verbirgt. Es sind Schichtungen im Raum, die auch Lebensspuren sind, aber nicht alle begangen werden müssen.
Für seine vierte Ausstellung im Apropos hat Egloff Skulpturen aus fünf Jahrzehnten ausgewählt. «Ich nehme damit Bezug auf Ruedi Schill, der die Galerie vor 50 Jahren gegründet hat, und auf unsere Freundschaft. Wir haben uns sehr gut verstanden.» Schill ist im Juli 2020 gestorben, seitdem wird Apropos von seiner Partnerin Monika Günther weitergeführt. Sie ehrt den Künstler Ruedi Schill mit der nächsten Ausstellung im Apropos, die vom 19.Juni bis am 31.Juli auch ein interessantes Liveprogramm beinhaltet.
Die Ausstellung von Anton Egloff ist noch bis am 15. Mai zu sehen. Apropos, Sentimattstrasse 6, jeweils DO 17 bis 19 Uhr, FR und SA 16 bis 18 Uhr.