Jam-Session mit Berliner Philharmonikern? Das Karneval-Kammermusikfestival vereinte zwanglos vermeintliche Gegensätze.
Das stehe sicher nicht in der Partitur, lachte ein Zuhörer, als einem der Musiker ein herzhafter Fluch entfuhr, weil er seinen Einsatz verpatzt hatte. Tatsächlich passte der Ausruf so wenig zum «Rigoletto»-Potpourri wie zum gediegenen Ambiente, in dem das Konzert der Bürgenstock Momente am Montag seine Fortsetzung fand: im Salon, wo sich die Konzertbesucher nach dem eigentlichen Konzert von der exzellenten Küche des Hotels Villa Honegg verwöhnen liessen. Und wozu eben die Musiker des Abends nochmals aufspielten.
Und wie sie es taten! Auch da traten Top-Solisten unter anderem der Berliner Philharmoniker auf, wie deren Konzertmeister Daishin Kashimoto oder der Klarinettist Andreas Ottensamer. Und boten in einer spassigen «Jam-Session» betörenden Stehgeigerschmelz, Wiener Salonmusik oder Vittorio Montis «Czardas», dem Ottensamer mit feinnervig-warmem Klarinettenton Klezmerfarben beimischte. Dass die Jam-Session auch zu einer Art öffentlicher Probe wurde, bei der im Ensemble mit bis zu sieben Musikern auch mal Pannen passierten, gehörte mit zum Konzept. Dieses nämlich brachte zusammen, was meist fein säuberlich getrennt wird: hochklassige Klassik und zwanglose Geselligkeit.
Das hohe Niveau, auf dem das am Festival «Karneval der Welten» der Bürgenstock Momente geschieht, bewies der Auftakt im Konzertsalon nebenan. Kashimoto gab hier rumänischen Tänzen von Béla Bartók die Intensität gestampfter Bauerntänze und die Farbigkeit exotischer Folkloreinstrumente. Mit Volkslied-Variationen von Béla Kovács fügten Ottensamer und Galliardo – die künstlerischen Leiter der Bürgenstock Momente – auch zeitgenössische Musik pfiffig ins Ungarn-Thema ein. Höhepunkt war Dvoráks zweites Klavierquartett: Hier verband sich frei dramatisierte Klangrede (am Flügel: José Galliardo) mit üppigem Streicherschmelz, der sich in der trockenen Akustik des Saals unter Hochdruck und doch erstaunlich frei entfaltete.
Konzert und Jam-Session brachten beide Elemente zusammen, die für die Bürgenstock Momente bezeichnend sind. Die Konzerte in der Villa Honegg passen zum buchstäblich «abgehobenen Charakter des Berges», wie der Initiant Hubert Eblenkamp sagt: «Der Bürgenstock hebt sich wie eine Insel aus dem Alltag heraus. Mit den Konzerten in der sorgfältig restaurierten Villa Honegg bespielen wir hier ein Kulturgut, das genau für diese Kulturtradition auf dem Bürgenstock steht.» Den für alle offenen Charakter der Kultur betont dagegen das Gratiskonzert in der Kirche Ennetbürgen, mit dem das Festival heute abgeschlossen wird – beim letzten Anlass dieser Art kamen über 400 Besucher.
Eblenkamp kann sich vorstellen, künftig beides auf dem Bürgenstock selber stärker zu verbinden: mit mehr Jam-Sessions und Open-Air-Veranstaltungen im Rahmen eines Sommer-Festivals. Damit Kultur auch im abgehobenen Rahmen frei abheben kann.
Hinweis
Schlusskonzert, heute, 15 Uhr, Pfarrkirche Ennetbürgen: Familienkonzert, u. a. mit Saint-Saens’ «Karneval der Tiere» (Sprecher: Gerd Wameling). Eintritt frei, Türkollekte.