Geige spielende Knochenmänner, abenteuerliche Reisen unter Wasser oder ein zertrümmertes Büro: Das Festival Fumetto entführt ins Reich der fantastischen Bilder.
Wie nah sich aktuelle zeitgenössische Kunst und Comics kommen können, ist zurzeit im Luzerner Kunstmuseum zu sehen. Neben den beiden Kunstpräsentationen «Mauricio Dias & Walter Riedweg» und der Landschaftsausstellung «Ins Offene!», zeigt das Haus, sozusagen als lockeren Abschluss, Werke des multidisziplinär arbeitenden südafrikanischen Comic-Künstlers Robin Rhode. Unter dem Titel «Rhode Works» präsentiert sich der 37-jährige, inzwischen in Berlin lebende Shootingstar der Szene, im Rahmen des internationalen Comix-Festivals Fumetto als künstlerischer Grenzgänger, der sich im Feld von Performance, Fotografie und Graffiti bewegt.
Seine Vielseitigkeit und, auf einen ersten Blick, spielerische Leichtigkeit vermögen auch kunstunerfahrene Betrachter auf Anhieb zu packen. Der Knochenmann, der Geige spielend über Büroklammern spaziert, der rote Saxofonist, der anstelle eines Arms einen immensen Vogelflügel schwingt, oder der Sommelier, der von einer Leiter balancierend, einen Turm von Kelchgläsern befüllt: Das sind Zeichnungen, die mit ihrer illustrativen Direktheit und Verständlichkeit ganz in der Tradition des Comic stehen. Werke wie das Affenskelett, das sich durch ein Gestrüpp von Lianen aus Stacheldraht hangelt, oder der Knochenhund, der der Wand entlang ins Nirgendwo rennt, hat der Künstler mit schwarzer Farbe direkt auf die Wand gemalt.
Robin Rhode bemalt allerdings nicht nur Museumswände, sondern auch Hauswände. Meist bleibt es da nicht bei der blossen Pinselarbeit. Der Mal-Akt selbst kann zur Performance werden. Dabei spielt der Künstler mit optischen Täuschungen. Einmal hängt der Maler an Seilen an der Wand. Aus der Distanz entsteht so der Eindruck, ein Kite-Surfer fliege der Hauswand entlang. Im Luzerner Kunstmuseum sind mehrere Beispiele dieses illusionistischen Action-Paintings, das Realität und Malerei mischt, mit Fotoserien dokumentiert.
Rhodes Arbeiten sind voller Witz und Spielfreude. Doch dies ist nur die eine Seite seines Werks. Schaut man genauer hin, lassen sich irritierende Details erkennen. So fliesst aus der Champagnerflasche des Sommeliers schwarzer Stacheldraht. Der Drachen, an dem der Maler surft, hat die Umrissform von Südafrika. Dem Geiger fehlen die Arme. Die Arbeiten von Rhode sind mit gesellschaftlichen und politischen Themen aufgeladen und überraschen manchmal mit witzigen Anspielungen. So weist der Saxofonist mit Flügel auf die Bebop-Legende Charlie Parker hin, der den Beinamen «Bird» (Vogel) getragen hat.
Ein Streifzug durch die verschiedenen Ausstellungen des Fumetto offenbart, dass Comics nicht immer so lustig sind, wie man annimmt. Erzählfreudig sind sie, meist leicht zu lesen und zu verstehen. Doch das Medium eignet sich auch für schwierige und komplexe Themen, die sich wirkungsvoll und eindrücklich als Comic umsetzen lassen. Die aus Frankreich stammende Genfer Zeichnerin Peggy Adam zeigt am Fumetto Zeichnungen aus ihren beiden Büchern «Luchadores» und «La Gröcha». In «Luchadores» geht es um verschleppte und ermordete junge Frauen in Mexiko. Die fiktive Geschichte basiert auf Tatsachen. «La Gröcha» erzählt die tragische Geschichte eines Ehepaares, das nicht über den Tod seines Kindes hinwegkommt.
Ein weiteres Highlight des diesjährigen Comix-Festivals ist die kleine Retrospektive von Gabriella Giandelli. Die 50-jährige Italienerin gehört zu den herausragenden Figuren der Szene. Eine Auswahl ihrer Arbeiten präsentiert sie in der zum Birkenwald umgestalteten Kapelle der Luzerner Kunsthochschule an der Rössligasse 12. Die in einem sehr zurückhaltenden einfachen Stil ausgeführten Zeichnungen mögen zwar erst etwas naiv und niedlich erscheinen. Bei genauerem Hinschauen öffnet sich aus den alltäglich gewöhnlichen Szenen plötzlich eine märchenhaft fantastische Welt. Banale Realität lässt die Künstlerin abrupt ins Unbehagen weckende Surreale kippen.
Dass Comics nicht nur für die Wand gemacht sind, zeigt auf drastische Art die Installation der sechs Mitarbeiter der Gruppe Dongery aus Norwegen. Sie haben im dritten Stock des Am-Rhyn- Hauses an der Furrengasse in Luzern das reine Büro-Chaos angerichtet. Da ist offenbar eine Marketing-Sitzung völlig aus dem Ruder gelaufen. Der Besucher kommt sich inmitten der herumliegenden Bürogeräte und dem zerbrochenen Sitzungstisch vor wie in einem Trickfilm.
Fumetto hat in diesem Jahr zudem den Londoner Verlag Nobrov eingeladen, der sich jetzt in der Luzerner Kunsthalle eingerichtet hat. Neben einer wandgrossen Collage aus Publikationen des Hauses präsentiert Nobrov drei ihrer Künstler, die die Bandbreite und die künstlerische Qualität des Verlags illustrieren. Spannend sind die Arbeiten von Luke Pearson, die den Entstehungsprozess eines Comic-Blattes von der Rohzeichnung bis zur Druckversion zeigen. Was die visuelle Qualität und Vielfalt betrifft, gehören die fantastischen Bilder von Kellie Stromüber die Gefahren der Meere zum Virtuosesten, was Fumetto 2014 zu bieten hat.
Hinweis
Fumetto, Internationales Comix-Festival Luzern: Festivalzentrum, Kornschütte, Luzern. Alle Ausstellungen täglich 10–20 Uhr. Bis 13. April.
Gabriella Giandelli: Hochschule Design – Kunst, Kapelle, Rössligasse 12, Luzern.
Peggy Adam: Erfrischungsraum, Rössligasse 12, Luzern.
Dongery: Am-Rhyn-Haus, Furrengasse 21, Luzern.
Nobrov: Kunsthalle (im Bourbaki), Löwenplatz 11, Luzern.
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