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Kultur
Staatshilfen zur Abfederung des ersten Lockdowns sind noch nicht angekommen. Nun droht zum zweiten Mal die Schliessung. Wo bleibt das Geld?
Was, wenn die Beispiele Wallis und Bern Schule machen? Das fragen sich gerade viele Schweizer Kulturstätten. Die beiden Kantone preschten letzte Woche vor und stellten den Kulturbetrieb von einem Tag auf den andern ein. In Bern, Biel und Brig blieben die Kinosäle, Theaterbühnen und Konzerthallen bereits am Wochenende leer.
Am deutlichsten machte der Walliser Regierungspräsident und ehemalige CVP-Schweiz-Chef Christophe Darbellay, worum es geht: Dinge wie Kino- oder Theaterbesuche seien zwar schön, aber «nicht unerlässlich». Unerlässlich ist für ihn und das Wallis die Skisaison.
Um die Ansteckungszahlen in den Griff zu bekommen, stellten Bern und Sion das kulturelle Leben also erneut ab. Die Kulturbetriebe reagierten konsterniert, die Branchenverbände verlautbarten verzweifelte Meldungen, wonach in Kino-, Theater- oder Konzertsälen keine Corona-Ansteckungen nachgewiesen worden seien. Die Schutzkonzepte hätten gegriffen, heisst es fast mantrahaft, nicht nur aus der Kultur-, auch aus der Sportbranche.
Die Veranstalter betonen, nichts gegen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu haben. Aber es erschliesst sich ihnen nicht, weshalb ein Kino und oder Konzertsaal geschlossen bleiben müssen, das Restaurant nebenan, in dem gesprochen, gelacht und geschmatzt wird, aber offen bleibt. Für Edna Epelbaum, die im Kanton Bern Kinos betreibt, ist klar:
«Das ist eine Attacke gegen das kulturelle Leben.»
Anderswo warten die Betriebe gebannt auf die kommenden Entscheide von Bund und Kantonen. Da und dort sehnen einzelne Kulturbetriebe sogar ein Tätigkeitsverbot herbei, weil erst so das Kriterium zur Beantragung von Staatshilfen, Ausfallentschädigungen, erfüllt wird. Die Rechnung ist einfach: Mit staatlichen Geldern fahren die Betriebe besser als mit dem verordneten eingeschränkten Betrieb mit weniger Zuschauern, weniger Vorstellungen und aufwendigeren Reinigungsarbeiten.
Was fast alle Kulturbetriebe bestätigen: Mit dem explosionsartigen Anstieg der Ansteckungszahlen hat das Publikumsinteresse deutlich abgenommen. Die zweite Welle vermiest ein Geschäft, das wegen der Einschränkungen ohnehin kaum kostendeckend ist. Staatshilfen wären willkommen.
Der Staat verbietet eine Tätigkeit aufgrund der Pandemie und entschädigt dafür die Betriebe, damit diesen nicht gleich der Schnauf ausgeht. Diese simple Rechnung funktioniert für die Kulturstätten in der Praxis leider nicht. Denn die Kantone, die die Ausfallentschädigungen gewähren und bezahlen, sind fast überall massiv in Verzug.
Dafür malen für einmal Berner Mühlen schnell: Der Kanton schockierte zwar mit dem Minilockdown, immerhin fliesst aber Geld. Kinobetreiberin Epelbaum, die Präsidentin des Schweizerischen Kinoverbands ist, sagt: «Im Gegensatz zu den meisten anderen Kantonen wurden in Bern die Entschädigungen zur Abfederung der Folgen aus dem ersten Lockdown bezahlt.»
Hinter vorgehaltener Hand hört man in der Branche diesen Verdacht: Entscheide würden absichtlich verschleppt. Damit sich das Problem von selbst löse. Nach Konkursen wären die Staatshilfen hinfällig. Manche wiederum haben den Eindruck, die Kantone seien überfordert mit den Gesuchen und es wäre besser gewesen, der Bund hätte ihnen im Sommer nicht die Verantwortung übergeben.
Die Kulturveranstalter warnen vor einer Art Verkümmerung der Gesellschaft. Es hagelt zurzeit «offene Briefe», in denen Kulturinstitutionen auf die Bedeutung eines Konzerts, eines Kinobesuchs oder eines Bühnenschauspiels hinweisen. In den sozialen Medien trendet #kulturistsystemrelevant. Eine Reaktion auf Aussagen von Politikern wie dem Walliser Regierungspräsident Darbellay. Für ihn ist vor allem eines systemrelevant: Skifahren.