Stimmen-Festival Ettiswil: Eine neue Intimität gesucht und gefunden

Es ist die spezielle Ambiance mit der gegenseitigen Nähe, welche Künstler und Publikum am Stimmenfestival fasziniert. Dieses ist gestern zu Ende gegangen. Zu den Highlights gehörte, dass man sich gar in acht Wohnzimmern begegnete.

Hannes Bucher
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Die guatemaltekische Sängerin Gaby Moreno und Band begeistern im Gasthaus Jlge Ettiswil. (Bild: Philipp Schmidli, 26. Mai 2018)

Die guatemaltekische Sängerin Gaby Moreno und Band begeistern im Gasthaus Jlge Ettiswil. (Bild: Philipp Schmidli, 26. Mai 2018)

Intensive Eindrücke – «jedes Konzert mit einmalig schönen Erlebnissen» – werden nachklingen, wenn Heidi Meyer später an das 14. Stimmenfestival Ettiswil zurückdenken wird. «Die Konzerte in acht verschiedenen privaten Wohnzimmern werden aber einen besonderen Platz dabei einnehmen», sagt die Festivalleiterin.

Sie spricht damit die Neuerung im diesjährigen Ablauf an. Zur Festivaleröffnung am Donnerstagabend haben acht Gastgeber aus Ettiswil und in vier Nachbargemeinden ihr privates Wohnzimmer geöffnet. Künstler wie Lärchenharz, das Luzerner Trio Frank, Princess and the Bear und Co. waren für einmal in diesem intimen Rahmen zu erleben.

Für die Künstler wurde zu Hause gekocht

Der Funke springt, die Begeisterung bei Künstlern und Besuchern ist beidseitig gross. «Da wurde für die Künstler gekocht, Apéro bereitgestellt, Sitzgelegenheiten wurden geschaffen», sagt Heidi Meyer. Das hat auch neue Besucher angezogen. So haben etwa Claudia und Urs Kamber aus dem Aargau diesen intimen Rahmen bewusst aufgesucht. «Wir haben zufällig von den Wohnzimmerkonzerten gelesen und sind nach Ettiswil gefahren», sagen sie und sind überaus begeistert. «Wir haben vorher nicht einmal gewusst, wo Ettiswil liegt, und haben auch das auftretende Emilia-Anastazja-Trio nicht gekannt. Es wurde ein einmaliger Abend. Unglaublich schön.»

Frage an die Festivalleitung: Ruft das nach einer Wiederholung im nächsten Jahr? «2019 sicher nicht, auch wenn wir viele Angebote hätten. Vielleicht später wieder mal», sagt Heidi Meyer. Diese Besonderheit will man offenbar nicht ausreizen.

Abgesehen von diesen besonderen Auftaktsdelikatessen lockt das Festival über die vier Tage hinweg mit Workshops und elf weiteren Konzerten – allesamt speziell in ihrer Art. Im Stimmfenster Egghus, im lauschigen «Jlge»-Saal mitten in Ettiswil, im Schloss Wyher und zum Festivalabschluss in der Pfarrkirche treten grossartige nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler auf und begeistern durchwegs. Da ist etwa das Trio Siselabonga am Freitagabend. In einem ganz besonderen Setting begegnen sich Mandingo-Tradition, Singer-Songwriter, Pop und improvisierte Musik und treten in einen spannenden Dialog.

Wie nahe sich am Stimmenfestival Künstler und Publikum kommen, zeigt das Beispiel von Sängerin Ala.ni aus Westlondon. Sie geht unverstärkt singend durch das Publikum, reisst ein Fenster auf, lässt die Sonne in den «Jlge-Saal eindringen und singt zu den Kindern auf dem Spielplatz und den Gästen in der Gartenwirtschaft. «Unglaublich schön», findet Heidi Meyer. Das Duo Blue Moon Marquee füllt am selben Abend den «Jlge»-Saal mit Gypsy Blues. Intensiv für Ohr, Auge, Herz auch am Samstag: Da ist etwa das Pop-Folk-Duo Lola Marsh mit Hits wie «You’re Mine» oder «Wishing Girl» und auch einer englischen Version von Mani Matters «Hemmige».

Bärtiger Kanadier und Sängerin aus Guatemala

Dann tritt Ben Caplan auf – nein, das Programm verspricht nicht zu viel: Robust, mal rau, mal überraschend weich, immer geschmeidig kommt seine Stimme daher. Ja, und der bärtige Songwriter und exzellente Musiker im schwarzen Anzug ist in der Tat «einnehmend charmant».

Ein weiteres Highlight zum Abschluss des Samstags ist der gut eineinhalbstündige Auftritt der Guatemaltekin Gaby Moreno. Glockenrein und voluminös ihre Stimme, vielfältig ihr Repertoire, in Englisch und Spanisch. Sie entpuppt sich zudem als grossartige Gitarristin und wird von virtuosen Musikern unterstützt. So grossartig ihr Auftritt, so schlicht und zurückhaltend gibt sie sich. Begeisterter Applaus, auch mal Mitsingen, Mitbewegen des Publikums sind ihr sicher – sie dankt es mit einnehmendem Lächeln.

Zum gestrigen Abschluss gibt es einen Bündner Tag im Schloss Wyher. Zuerst mit dem Schriftsteller Arno Camenisch und dem Gitarristen Roman Nowka, schliesslich das folkig-sphärische Popkonzert mit der Bündner Singer-Songwriterin Ursina und ihrer Band. Traditionsgemäss findet das Schlusskonzert des Stimmenfestivals in der Pfarrkirche statt. Das Calmus-Ensemble, eine fünfköpfigen A-Cappella-Formation aus Leipzig, setzt einen grossartigen Schlussakzent.