Die Reihe mit Konzerten zum 60. Geburtstag von Dieter Ammann begann in der Musikhochschule Luzern musikalisch offen. Nur das Bistro nebenan blieb zu und zeigte, dass der Neubau beim Südpol sich erst noch als Veranstaltungsort etablieren muss.
Das gab es noch nie, dass die Musikhochschule Luzern einen Dozenten mit einer derart umfangreichen Hommage ehrt wie diesen Mai den Komponisten Dieter Ammann zum 60. Geburtstag. Valentin Gloor, Direktor der Musikhochschule, nannte dafür bei der Begrüssung zum ersten Konzert am Sonntag mehrere Gründe.
Neben der langjährigen Verbundenheit des Zofinger Komponisten mit Luzern ist die wichtigste seine Musik. Diese, so Gloor, stehe für jene «Einzigartigkeit», die mit der «digitalen Reproduzierbarkeit» noch wichtiger wird. Ammanns Bedeutung als Komponist unterstreichen namhafte Kooperationen. So wirken neben Ensembles der Musikhochschule in den sechs Konzerten das Luzerner Sinfonieorchester und die Zürcher Sing-Akademie (im KKL) mit.
Gemessen daran wirkte die Eröffnung in der Musikhochschule beim Südpol wie ein interner Auftakt. Dass der Salquin-Konzertsaal knapp zur Hälfte besetzt war, ist zwar an einem sonnigen Sonntag kein schlechter Wert, blieb aber an einem solch prominent eingeführten Anlass unter den Erwartungen. Auf der Bühne sassen abwechselnd wohl fast so viele Musikstudenten (fünf Männer, acht Frauen) wie im Publikum. Und weil das Bistro sonntäglich geschlossen war, mussten in der Pause Besucher den Weg in die Cafeteria im ersten Stock suchen. Das bestätigte einen Eindruck vom Szenenwechsel-Festival im Januar: Nach der durch Corona eingeschränkten Startphase muss sich die Musikhochschule erst noch als Veranstaltungsort etablieren.
Umso spannender war das Konzert selber programmiert. So zeigten zwei frühe Werke von Ammann bereits Züge eines Personalstils, der Komplexität mit einer rhythmischen Prägnanz und Vitalität verbindet, die auf Ammanns Anfänge als improvisierender Musiker zurückgehen. Die Gemeinsamkeit war umso erstaunlicher, als die Werke aus den 90er-Jahren kaum gegensätzlicher hätten sein können.
So hatte bereits «Developments» (1994) für Brassquintett nichts von der Strenge einer seriell organisierten Komposition, bei der sich Ammann selber fragte, wozu es ihn da als Komponisten überhaupt noch brauche (Ausgabe vom Donnerstag). Vielmehr entspannen sich aus Signaltönen und Geräuschflattern heraus Seufzergewebe, denen das Kam-Brass-Quintett (die Philip-Jones-Brasspreisträger 2021) emotionale Spannung und Wärme gab. Das freier komponierte «The Freedom Of Speech» entwickelt aus dem Gegensatz von Akzenten und Klangflächen ein Spiel mit verschiedensten Stilen. Die Berg- und Talfahrt der Emotionen (Ammann) drohte da auch mal zu zerstieben. Aber auch im Spiel des Ensembles der Musikhochschule (Leitung: Andreas Brenner) berührten sich die Extreme von ätherischer Verschmelzung und heftiger Dramatik.
Vergleichsweise klassisch wirkte dazwischen Wolfgang Rihms Streichquartett Nr. 4. Dieses knüpfte hier mit rasanten Auftaktfiguren bei Ammanns «Regard sur les Traditions» an (am Flügel: Kamila Davletova und Artem Markaryan). Mit singenden Linien wies es umgekehrt auf ein Adagio von Haydn voraus (klangintensiv: Diogenes Quartett). Damit bot das Programm wie Ammans Musik viele Zugänge und war auch insofern eine passende Visitenkarte für den Jubilar.
Hinweis
Nächste Hommage: Mi/Do, 11./12. Mai, Konzertsaal KKL: Luzerner Sinfonieorchester (Ammann, Schumann, Bruckner). Programm: www.hslu.ch