Die Musiker des Bayerischen Symphonieorchesters und Schweizer Kollegen vereinten sich zu «unerhörter» Kammermusik.
«Magnet Beethoven» war das Thema des Kammermusik-Festivals «Erstklassik am Sarner See». Und es hat magnetisch viel Publikum angelockt. «Die Auslastung war wesentlich besser, als wir erwartet haben», sagte Elisabeth Melcher-Arquint, «das Publikum war ausserordentlich dankbar, dass wieder Konzerte stattfinden!»
Das merkte man auch an den begeisterten Reaktionen der Besucher. Die Musiker des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO) hatten sich für die Konzerte am Dienstag und Donnerstag mit Schweizer Kollegen zusammengefunden. Es war durchweg spürbares Musizieren unter Freunden. Im Abschlusskonzert am Donnerstag war die Serenata von Carl Nielsen, komponiert 1914, quasi ein Vorspiel zu Beethovens Septett. Zu der Klarinettistin Bettina Faiss, der Cellistin Katharina Jäckle und dem Kontrabassisten Lukas Richter vom BRSO gesellten sich die Hornistin Zora Slokar aus Lugano und der Fagottist Michael von Schönermark. Mit grosser Spielfreude und feiner Balance interpretierten sie das humoristisch-heitere Werk.
Im Quintett B-Dur von Beethoven-Freund Anton Reicha brillierte Bettina Faiss mit den Streichern um die Wette. Die Melodien spannten von erster Violine (David van Dijk) zur Klarinette, leicht, tänzerisch, musikantisch. Dann aber das Septett Es-Dur von Beethoven. Ein wahrer Genuss, wie die Künstler die Klangfarben zwischen Streichern und Bläsern auskosteten und sich von Solopassagen zu orchestraler Klanggrösse wandelten. Die Tongirlanden, die Korbinian Altenberger von seiner Violine zur Klarinette hinüberspielte, nahmen alle auf. Fein gesponnen das Duett zwischen Violine und Viola (Alice Weber), warmtönend selbst in schnellen Triolen das Horn, mit klangvollem Pizzicato der Kontrabass. Fagott und Cello wechselten von kurz angetippten Tönen zu Melodik. Magisch klangen im Adagio die zarten Reibungen, das Presto gipfelte in überschäumendem Tempo. Zahlreiche Bravorufe, glückliche Gesichter – ohne Maske – im Publikum.
Am Dienstagabend war Benjamin Engeli, Dozent in Feldkirch und Basel, nicht nur am Flügel im Einsatz, er erläuterte auch Beethovens Schaffensperioden. Da war zunächst die Sonate für Violine und Klavier op. 30,3 aus dem Jahr 1802, als Beethovens Gehör schon nachliess. Die fröhlich-leichte Melodik, die sich durch alle Sätze zieht, wurde von David van Dijk und Engeli spielerisch, musikantisch und akzentreich gestaltet. Die Sonate für Cello und Klavier op. 102,1 (1805) scheint wie aus einer neuen Epoche zu kommen.
Wie sehr Beethoven da über seine Zeit hinaus ungewohnte Klänge zusammenbringt, das spielten Samuel Lutzker und Benjamin Engeli bis in kleinste Details aus. Da klang das Cello mal sanft wie Seide, um dann in kratzig brummende Trotzigkeit zu stürmen. Kantig, wild, mit krassen Reibungen – weich, kantabel, tiefgründig; die Gegensätze wurden «unerhört» ausgereizt. Vom sensiblen Begleiter wurde Benjamin Engeli dann zum souveränen Solisten. Die Klaviersonate op. 109 (1820) scheint aus der Zukunft zu kommen. Engeli liess viel Raum für virtuose Ausbrüche und willkürlich anmutende Tonfolgen. Er malte mit weichem Anschlag impressionistische Klangbilder, pointierte die sich überschneidenden Themen, und in den Variationen erklang eine Spanne von Bach bis Schönberg. Das Klaviertrio d-Moll (1923) von Gabriel Fauré, der ebenfalls ertaubte, schloss sich mit seinen impressionistischen wie futuristischen Klängen nahtlos an Beethoven.
Hinweis: Benjamin Engeli spielt mit Musikern der Festival Strings am 11. September um 17 Uhr im Hotel Schweizerhof Luzern.