FESTIVAL: In der Parallelwelt der Literatur

Aktuelle Romane, erlesene Lyrik-Editionen, wunderschöne Kunstbücher: Der Buchmarkt am Literaturfest Luzern inspiriert Geist und Sinne.

Pirmin Bossart
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Was für eine Lust für Bücherfreunde, auf dem Buchmarkt am Literaturfest Luzern zu stöbern und zu entdecken. (Bild: Eveline Beerkircher (11. März 2017))

Was für eine Lust für Bücherfreunde, auf dem Buchmarkt am Literaturfest Luzern zu stöbern und zu entdecken. (Bild: Eveline Beerkircher (11. März 2017))

Pirmin Bossart

kultur@luzernerzeitung.ch

Wer süchtig ist nach Büchern und andern bedruckten Objekten, die mit edlem Papier oder geheimnisvollen Titeln die Aufmerksamkeit bezirzen, wird an diesem Wochenende in der Kornschütte Luzern glücklich. Rund 40 Kleinverlage sind an den Tischen versammelt und locken mit ihrem Stoff, den man lesen, schauen, greifen und fühlen kann.

«Wir leben jetzt drei Tage in einer Parallelwelt», hatte Leslie Schnyder, Präsidentin des Vereins Luzerner Literaturfest, an der Eröffnung gesagt. «Es ist eine andere Realität, in der wir feiern, was wir lieben: Bücher und die Menschen, die sie machen.»

Bücher seien Ferien, sagt der Stadtpräsident

Bücher seien für ihn Ferien, bekannte anschliessend Stadtpräsident Beat Züsli. Und er meinte damit nicht nur, dass er lediglich in den Ferien richtig Zeit habe zu lesen. Bücher entführten ihn auch in andere Gebiete und Sphären. Immerhin, dachte man beruhigt. Doch noch ein wenig In­spiration über dem Trockenfutter der Stadtratsbeschlüsse.

Dann stürzt man sich hinein in die bunte Verlagswelt zwischen den Säulen in der Kornschütte und lässt sich treiben. Titel schreien einem entgegen, skurrile Verleger äugen über Brillenränder, ein anderer gestikuliert in froher Begeisterung seit Minuten auf einen Kunden ein. Man bleibt stehen, blättert in einer Publikation, schnappt eine Zeile auf, hört gleichzeitig Gesprächsfetzen, liest einen neuen Satz und kann sich so jederzeit seine eigene Momentpoesie zusammenstellen.

Die Auswahl der Verlage bietet sowohl den auf Neuerscheinungen ausgerichteten Leseratten wie auch den eher kunstvoll geneigten, um nicht zu sagen avantgardistisch verbogenen Geistern ein reichliches Spektrum an Buchstabennahrung. Mit Caspar Bieler und seinen Literaturkarten (kARTE) ist auch ein Verleger vertreten, der nur Postkarten druckt: Sie sind mit literarischen Zitaten von bekannten Autoren versehen, unter die Bieler auch ein paar eigene Bonmots mischt.

Die neuen Bücher von bekannteren Autorinnen und Autoren, darunter auch einige aus der Zentralschweiz, findet man etwa bei der Hirschmatt-Buchhandlung, der Edition Bücherlese, dem Bilgerverlag, dem Limmat-Verlag, dem Lenos-Verlag oder dem Rotpunkt-Verlag, der in verdankenswerter Weise auch noch ein paar kapitalismuskritische Publikationen unter seine Belletristik- und Wanderbücher gemischt hat.

Der gesunde Menschenversand aus Luzern präsentiert einen Teil seines schweizweit umfassendsten Angebotes von Spoken Word Editionen, Hörbüchern und ungewöhnlichen Publikationen junger Literaten. Auch der Verlag Die Brotsuppe pflegt mit viel Liebe die Literatur von jungen Schriftstellern aus allen Schweizer Landesteilen.

Eigenwillige bis ausgefallene Kreationen

Obskurer und nicht minder ergiebig wird es bei jenen Verlagen, wo sorgfältige Typografie, grafische Kunst und Druckästhetik ineinanderfliessen und eigenwillige bis ausgefallene Buchkreationen entstehen. Christian Ewald von der Katzengraben-Presse hat ein nautisches Buch im Angebot, das aus 14 Metern Wellpappe gefertigt ist und sich wie ein Leporello ausrollen lässt. Der geheimnisvollen Klecksografie und anderer experimentellen Literatur hat sich mit Leidenschaft Hartmut Abendschein mit seinen Publikationen verschrieben.

Hochwertigste Kunstbücher findet man etwa an den Ständen der coolen Edizioni Periferia aus Luzern oder beim St. Galler Vexe-Verlag. Staunend bleibt man beim auf perfektionistische Faksimilie-Ausgaben spezialisierten Quaternio-Verlag stehen. Neustes Werk ist das Sobieski-Stundenbuch, «das schönste Buch in der Bibliothek von Königin Elisabeth II.», wie Clarissa Rothacker anmerkt. 680 Exemplare wurden gedruckt, ein Buch kostet 10910 Franken. «Ein Longseller», lächelt die Verlegerin.

Ein Schwerpunkt der Sofa- lesungen, die stündlich in der Kornschütte stattfinden, liegt dieses Jahr auf dem Anagrammieren, der unerschöpflichen Kunst, aus den Buchstaben eines Satzes völlig Neues zu generieren. Mit Thomas Brunnschwiler sass der Experte der Schweizer Szene auf dem Sofa, der das experimentelle Sprachgebiet auch theoretisch und historisch aufgearbeitet hat.

Carole Baumgartner zählt zu den jüngeren Vertreterinnen: Sie habe dank dem Anagrammieren wieder einen Zugang zur Textarbeit gefunden. Wie hochwertig poetisch und überraschend sinnhaft diese Buchstabenspielerei sein kann, zeigten am klarsten die beiden Anagrammisten Anna Isenschmid und Esther Spinner. Da werden mit Sorgfalt, Sprachlust und literarischer Intuition sprachliche Gebilde geschaffen, die zu wunderbarer Lyrik werden.

Hinweis

Der Buchmarkt ist noch am Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Auf dem Sofa lesen: Anagramm-Agentur: Heini Gut, Ueli Sager und Patrick Steffen (12 Uhr), Josef Birrer Stadtbibliothek (13 Uhr), Frölein Da Capo (14 Uhr), Nique Nager und Jürg Stadelmann – Luzern entdecken (15 Uhr). www.literaturfest.ch