Das Comix-Festival wird 25 Jahre alt. Wir haben mit der künstlerischen Leiterin Jana Jakoubek nach vorn und mit dem abtretenden Vereinspräsidenten Niklaus Zeier zurückgeschaut.
Julia Stephan
Niklaus Zeier, 1992 fand das erste Fumetto im damaligen Jugendkulturhaus Wärchhof statt, dessen Präsident Sie damals waren. Sie waren von Anfang an mit dabei. Was für ein Gründergeist herrschte da?
Niklaus Zeier: Luzern befand sich im Aufbruch. 1992 entstand das Blue Balls Festival, ebenso das nicht mehr existierende Fashion-Festival Gwand. Ein Jugendarbeiter des Wärchhofs, René Fuhrimann, hatte das Fumetto im Rahmen seiner Abschlussarbeit lanciert.
Hielten Sie es damals für möglich, dass das Fumetto einmal eine internationale Reputation erlangen würde?
Zeier: Überhaupt nicht! Noch nach der zweiten Ausstellung fragten wir uns: Sollen wir wirklich weitermachen? Dabei lief es gut! Wir waren zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. In der Deutschschweiz gab es damals nichts Vergleichbares. Nach Fumetto drei stand fest: Wir brauchen Strukturen. Also haben wir den Verein gegründet, den ich bis heute präsidiere.
Jana Jakoubek, Sie führen in diesem Jahr neben den Hauptausstellungen 55 Satellitenveranstaltungen im Programm. Schon 1993 waren enorm viele Institutionen beteiligt. Warum diese Fixierung auf spezielle Orte?
Jana Jakoubek: Wir wollen, dass der Art-Basel-Gänger durch Comic-Kunst ebenso angesprochen wird wie die Menschen ohne Kunstbezug. Die Begegnung mit der neunten Kunst findet deshalb sowohl beim Bäcker statt als auch im Kunstmuseum.
Was war für Sie der spannendste Ort, den Sie je bespielen durften?
Jakoubek: Der stillgelegte Posttunnel, den die SBB für uns wieder zugänglich gemacht haben. Auch wenn solche Orte sicherheitstechnisch eine Herausforderung sind.
Zeier: Beim Erschliessen neuer Orte haben wir Pionierarbeit geleistet. Der Posttunnel wird heute auch von anderen Veranstaltern genutzt. Selbst Luzerner können am Fumetto Orte entdecken, die sie bislang nicht kannten.
Vor Jahren träumte man einmal von einem grossen Comic-Haus. Ist diese Idee ausgeträumt?
Zeier: Im Jahr 2000 beschränkte sich das Festival auf das Frigorex-Gelände. Aus dieser Erfahrung haben wir gelernt: Bei so einer Zentrierung ist der Reiz weg.
Würde das Fumetto auch in einer anderen Stadt funktionieren?
Jakoubek: Luzern hat die perfekte Grösse. Man trifft sich und geht nicht verloren wie in London oder Moskau.
Zeier: Ein französischer Künstler ist dennoch mal verschwunden. Die Streckenführung des Luzerner Stadtlaufs verlief während des Festivals direkt neben seiner Ausstellung. Da ist er einfach mitgejoggt.
Ist Luzern auch als Motiv ins Comic-Œuvre der Künstler eingegangen?
Jakoubek: Viele Künstler sind Sketchbook-Artists. Sie gehen ohne ihren Zeichenblock nicht aus dem Haus. Es gibt Tagebücher, die nach dem Festival in einem Blog veröffentlicht werden.
Zeier: Alle fünf internationalen Künstler, die 1994 Giebelbilder für die neu eröffnete Kapellbrücke schufen, haben diese auch publiziert. Viele von ihnen, etwa der Italiener Lorenzo Mattotti oder der spanische Künstler Max, gehörten schon in den 1980ern zu den ganz Grossen.
Niklaus Zeier, Sie werden Ende Jahr nach 24 Jahren als Vereinspräsident zurücktreten. Gibt es gescheiterte Ausstellungskonzepte, von deren Realisierung Sie immer noch träumen?
Zeier: Wir sind in letzter Zeit etwas nüchterner geworden. Vor einigen Jahren wollten wir mal eine Comic-Strip-Aktion an der Bahnhofsfassade durchführen. 24 Karussell-Diaapparate hätten vom Bahnhofsinnern aus Bilder auf die Spiegelfelder der gläsernen Bahnhofsfassade projiziert. Geplant war ein internationaler Wettbewerb. Das Projekt hätte 200 000 Franken gekostet. Ich hätte auch nichts gegen die Bespielung sämtlicher Musegg-Türme.
Gibts eigentlich Fumetto-Künstler, die sich im Stadtbild verewigt haben?
Jakoubek: Nein, aber wir wollen nächstes Jahr ein Street-Art-Projekt initiieren, das sich längerfristig etablieren soll. Wer weiss? (Lacht.)
Zeier: Nun ja, mir gefallen Graffitis sehr. In Paris gibts wunderbare Bilder, aber in Luzern haben wir doch ein recht anderes Verhältnis zum öffentlichen Raum. (Lacht.)
Jakoubek: Vielleicht sind wir irgendwann mal so weit wie in der französischen Stadt Angoulême, Austragungsort des grössten Comic-Festivals der Welt. Dort stehen sämtliche Strassennamen in Sprechblasen.
Highlightsjst. Vom 16. bis 24. 4. findet auf ganz Luzern verteilt das internationale Comix-Festival Fumetto statt. Was einst als Jugendprojekt begann, hat 2016 11 Haupt- und 55 Satellitenausstellungen vorzuweisen, an denen 242 Künstler beteiligt sind.
Ein Highlight zum 25-Jahr-Jubiläum ist das von 41 Künstlern kreierte Fumetto-Kunstbuch. Es soll während des Festivals in limitierter Auflage verkauft werden (am 23./24. 4. im Festivalzentrum erhältlich). Wer eines der Bücher erwirbt, kann sich die leeren Seiten von den am Festival anwesenden Künstlern individuell füllen lassen. In einer Ausstellung im Historischen Museum gibts die Kunstbuch-Arbeiten neben Festivalplakaten und anderen historischen Fumetto-Schnipseln im Original zu sehen.
Der Italiener Lorenzo Mattotti, der erste Stargast des Festivals überhaupt, stellt im Kunstmuseum Luzern seinen schwarz-weissen Werkzyklus «Oltremai» vor. Freuen darf man sich auch auf den Erfinder der Comic-Reportage, Joe Sacco. Im ehemaligen Posttunnel wird eine weniger bekannte Seite von ihm offenbart, der in seiner Jugend Rockbands begleitete. Neben den Scherenschnitten der französischen Künstlerin Caroline Sury, dem belgischen Künstlerkollektiv Frémokund dem im Nachwuchsförderformat präsentierten HSLU-Abgänger Conradin Wahlsollte man die Roboter-Evolutionsgeschichte von Tom Gauld im Historischen Museum nicht verpassen.
Dem Niederländer Joost Swarte darf man im Hotel Schweizerhof bei der Arbeit über die Schultern schauen. Und das Urgestein der spanischen Alternativcomic-Szene Maxist ebenfalls zu Gast. Der Bachelor of Animation der Hochschule Luzern präsentiert die Werkstatt eines psychopathischen Spieleherstellers (Seico). Und wem das nicht reicht, der lasse sich von den Einsendungen des Wettbewerbs «Verführung» bezirzen.
Vollständiges Programm: www.fumetto.ch