Dimitri, der bekannteste Clown der Schweiz, wird heute 80 Jahre alt. Ein Gespräch über Angst, Lachen und seinen grössten Wunsch.
Interview Gerhard Lob
Dimitri, Sie werden heute 80 Jahre alt, stehen aber immer noch 150-mal pro Jahr auf der Bühne. Was ist das Rezept, um so fit zu sein?
Dimitri: Ich staune selbst, aber es ist weitgehend eine Glücksfrage. Ich habe das Glück, gesund zu sein und den schönsten Beruf der Welt zu haben. Aber natürlich muss ich mich in Form halten. Jeden Tag trainieren und viel auftreten. Ich trainiere noch täglich etwa drei Stunden.
Sie sind als Clown nicht nur in der Schweiz, sondern auch international bekannt. Was bedeutet Ihnen Erfolg?
Dimitri: Erfolg ist eine Bestätigung, vor allem, wenn er nachhaltig ist. Und er macht Freude, das gebe ich zu. Ich liebe den Applaus. Doch ich interpretiere den Erfolg nicht immer persönlich, ich nehme ihn für die ganze Gemeinschaft von Clowns, sozusagen für unsere Gattung. Und das meine ich ehrlich, und nicht, um mit Bescheidenheit zu bluffen.
Ihr Beruf ist es, das Publikum zum Lachen zu bringen. Wie wichtig ist Lachen im Leben?
Dimitri: Ohne Lachen könnte man überleben, aber nicht gut leben. Humor und Liebe sind für mich eine Einheit, auch wenn es schwarzen Humor gibt.
Was bringt Sie selbst zum Lachen?
Dimitri: Ich lache gerne über andere Komiker, egal, ob sie Worte benutzen oder nicht. Bei einem Wortkomiker denke ich etwa an meinen Freund Emil. Aber auch ein kleines Kätzchen, das tollpatschig spielt, kann mich zum Lachen bringen.
Sie gehören nicht zu den Wortkomikern, sondern sind meistens stumm.
Dimitri: Das stimmt. Ich gehöre zur Familie der Pantomimen, bin ein stummer Clown. Das galt ja auch schon für meinen Meister Marcel Marceau. Bei mir spielt aber die Musik eine wichtige Rolle. Es ist nicht so leicht, den Clown zu erklären.
2010 verunfallten Sie auf der Bühne und brachen sich zwei Lendenwirbel. Im Publikum lachte man, weil man dachte, das gehört zur Nummer.
Dimitri: Das war wirklich eine tragikomische Situation. Die Leute haben gelacht. Und ich rief «Ein Arzt, ein Arzt!» Es waren dann schliesslich tatsächlich drei Ärzte im Publikum. Selbst in dieser Situation setzte ich auf Humor und fragte: «Sind Sie wirklich ein Arzt?» Schliesslich wurde ich mit der Ambulanz ins Spital gebracht.
Hat dieser Unfall Ihre Einstellung zum Älterwerden verändert?
Dimitri: Ehrlich gesagt habe ich mich schon als junger Mensch viel mit solchen Fragen auseinandergesetzt. Zum Beispiel stellte ich mir vor, blind zu sein. Dann hätte ich nicht mehr malen können. Aber ich hätte weiterhin singen können oder Geschichten erzählen. Aber Achtung: Wenn man einem Mimen das Wort gibt, hört er nicht mehr auf zu sprechen!
Dann kennen Sie auch die Angst vor dem Tod nicht?
Dimitri: Leider habe ich diese Angst immer noch. Wobei diese Angst vor allem mit der Vorstellung von Krankheit, Leiden oder Siechtum verbunden ist, nicht mit dem Sterben an sich.
Also keine Angst vor dem Jenseits?
Dimitri: Das nicht. Für mich ist klar, dass es ein Jenseits gibt. Die Körper werden von Würmern gefressen. Aber ich bin überzeugt, dass wir in geistiger Form weiter-existieren.
Oft leben Künstler in urbanen Räumen. Sie hingegen leben im wilden Centovalli.
Dimitri: Das Urbane kenne ich zur Genüge. Ich bin ja ständig auf Tournee. Ich liebe diese wilde Natur und die Täler im Tessin: Ich mag auch die Leute hier. Sie haben einen eigenen Humor. Die Menschen tragen das Herz am rechten Fleck.
«Clown sein kann man nicht lernen, diese Begabung muss man haben», sagten Sie einmal. Und doch haben Sie in Verscio eine Schule gegründet. Wie passt das zusammen?
Dimitri: Da muss ich gleich klarstellen: Es ist keine Clownschule, sondern eine Fachhochschule für Bewegungstheater. Dort gibt es viele Fächer – von der Pantomime bis zum Maskenspiel. Clownerie ist nur eines dieser Fächer. Ich stehe nach wie vor zu dem Satz, den ich gesagt habe. Beim Clown braucht es einfach die komische Begabung. Dies schliesst eine professionelle Ausbildung nicht aus.
Sind Sie ein politischer Mensch?
Dimitri: Ich bin in meiner Kunst nicht politisch. Aber persönlich bin ich einfach von einer Menschlichkeit getragen. Ich leide mit den Menschen mit, etwa mit Flüchtlingen. Wie Antoine de Saint-Exupéry sagte: «Man sieht nur mit dem Herzen gut.» Das ist für mich ein Leitfaden.
Hinter jedem erfolgreichen Mann steckt eine starke Frau. Ist das auch in Ihrem Fall wahr?
Dimitri: Effektiv habe ich eine sehr starke Frau. Wir sind ein Team, auch wenn ich in der Öffentlichkeit bekannter bin als meine Frau Gunda. Sie ist auch Schauspielerin und Künstlerin. Sie ist die mir am nächsten stehende Person, vor allem aber sagt sie mir die Wahrheit. Das ist sehr wertvoll für mich.
2016 sind Sie 55 Jahre verheiratet.
Dimitri: Woher wissen Sie das? Aber es stimmt. Ich möchte sogar betonen, dass mir das Jahr 2016 noch wichtiger ist als das Jahr 2015. Denn ich bin ein 9er-Mensch. Ich bin an einem 18. geboren, also zwei Mal neun. Ich bin im September geboren. Zudem im Jahr 1935, dessen Quersumme wieder zwei Mal neun macht. Der 81. Geburtstag symbolisiert neun Mal neun. Das ist doch unglaublich.
Ihr grösster Wunsch zum Geburtstag?
Dimitri: Ich habe immer viele Träume und Projekte. Ich bin ein Tagträumer. Es geht dabei stets um Dinge, die realisierbar sind, nicht um Fantasien. Seit vielen Jahren schon träumte ich davon, einen komischen Film zu machen. Und dies wird sich nächstes Jahr konkretisieren. Mein Wunsch ist es, dass dies wirklich klappt: Ein Spielfilm von 90 Minuten, eine poetisch-komische und zugleich spannende Geschichte, ohne Worte.