Judith Albert und Franz Bucher öffnen Fenster zur Obwaldner Landschaft. Animiert hat die Künstler das fast 400-jährige Panoramabild in der Galerie Hofmatt und ein Relief des Kartografen Xaver Imfeld von 1880.
«Der unbekannte Künstler aus dem 17. Jahrhundert, der an die Wände der Sarner Hofmatt ein 360-Grad-Panorama gemalt hat, führt uns wie ein Geschichtenerzähler die Talschaft vor Augen», sagt Toni Durrer vom Obwaldner Verein „Kulturlandschaft“. Und, indem er aufs alte Terra Sigillata-Bild zeigt: «Da sind die dominierenden Kirchen, da ist ein Schiffer, ja sogar eine Wolfsjagd gibt es!»
Der Verein «Obwaldner Kulturlandschaft» hat zum Ziel, die unglaubliche Vielfalt der heimischen Landschaft darzustellen und erlebbar zu machen. Gemeinsam mit der Galerie Hofmatt gelingt ihm dies zurzeit in faszinierenden Facetten: Dem geradezu epischen Panoramabild wird - mitten im Raum - ein naturwissenschaftliches Relief des Topografen Xaver Imfeld von 1880 gegenübergestellt. Dieser «Künstler» sucht Präzision. Bei ihm stimmt jede Höhenkurve, jede Relation haargenau.
Gerade solche Gegensätze führen – so Durrer – etwas klar vor Augen: «Das Bild einer Landschaft ist ein Konstrukt unseres Gehirns, immer einmalig, immer individuell.» Genau dies wollen Verein und Galerie belegen. Deshalb haben sie auch zwei zeitgenössische Kunstschaffende dazu eingeladen, ihre Panoramasicht darzustellen.
Die aus Alpnach stammende Künstlerin Judith Albert lässt mitten in der idealen Feuchtigkeit des alten Gewölbekellers einen Käse thronen. Nicht irgendein Käse. Nein, ein Panoramakäse ist es. Hergestellt aus Milch von Kühen, die auf den sieben Obwaldner Alpen geweidet haben. Die Kulturjournalistin Alice Henkes illustriert es so: «Die Kühe haben das Gras der Bergwiesen gefressen und die Blumen, dabei die Bergluft eingeatmet, die Sonnenwärme, vielleicht auch den Blick auf den See in sich aufgesogen.»
Gewissermassen stecke in diesem Panoramakäse die Essenz der Region, der Landschaft und der Landwirtschaft! Rings um den Käse sind Bilder mit den Massen von Bullaugen angebracht. Sie simulieren den Blick aus dem einem Schiffsbauch ähnelnden Keller: ins Offene, ins Ungewisse, ja Blaue. Die Bilder in den Rondellen sind Standbilder aus der Videoarbeit, die Judith Albert im angrenzenden Kellerraum installiert hat. Dafür hat die Künstlerin, wie Henkes verrät, stets ihre eigene Haut gescannt, geknetet und gefaltet. So bildeten sich Strukturen. Ähnlich wie bei der Faltung der Erdoberfläche, durch die unsere Berge entstanden sind. Henkes dazu: «Der Ausblick wird zum Einblick, er zeigt das Grosse, Entfernte, aber auch das Nahe, Intime.»
Die Landschaft als grosses, einmal magisches, einmal dramatisches Natur-Panorama ist für den in Sarnen aufgewachsenen Künstler Franz Bucher immer schon ein wichtiges Thema gewesen. Mit seinen Aquarellen im Galerieraum öffnet er Fenster. Doppelte Fenster, genauer gesagt, Bilder im Bild. Alice Henkes sagt es so: «Diese Fenster oder Bilder im Bild führen zur intensiven Beschäftigung des Künstlers mit Licht, mit Farbe, mit Bewegung.»
Auf den ersten Blick sieht der Betrachter jene fast schon idyllische Landschaft, die ihn geprägt hat und die seine Stimmungen beeinflusst.
Auf einen zweiten Blick aber entdeckt er auch die Natur, der Menschen seit Generationen den Stempel aufdrücken und die sie mehr und mehr zur Kulturlandschaft verwandeln. Im Gangbereich eröffnet Franz Bucher mit drei Bildern im Grossformat auch dunkle Sichten aufs Panorama: Da ist der See mit seiner bedrohlichen Tiefe. Da sind finstere Berge, die schroff, ja fast dramatisch in den Himmel steigen. Ein Fenster im übertragenen Sinn: hinaus aus der idyllischen Landschaft. Hinein ins Dunkel und in die Wildnis, die unserer vertrauten Kulturlandschaft auch eigen ist. Und die uns auch bedrohen kann.
Kulturlandschaft – Landschaft und Kultur in Obwalden: Ausstellung «Panorama» in der Galerie Hofmatt Sarnen mit Judith Albert, Franz Bucher und Xaver Imfeld. Noch bis 1. Juli 2018. Öffnungszeiten: Sa/So 14 – 17 Uhr oder nach Vereinbarung. Finissage mit «Chästeilet» 1. Juli, 16. Uhr.