Nach dem Psychothriller «L’inconnu du lac» legt Regisseur und Autor Alain Guiraudie erneut einen Film vor, der im Schwulenmilieu spielt. Im Gegensatz zum Vorgängerstreifen ist die Story bei «Rester vertical» konfus.
Der Mittdreissiger Léo ist eine verkrachte Existenz. Zwar hat er als Regisseur früher offenbar mal einen Film zu Stande gebracht, doch mit seinem neuen Projekt kommt er nicht voran. Er hat keinen festen Wohnsitz mehr, reist mit seinem Auto durch die französische Provinz.
Um Wölfe soll sich sein neuer Film drehen, deshalb begibt Léo sich ins Zentralmassiv, wo die scheuen Tiere den Schafzüchtern zusetzen. Er lernt hier, in einer gottverlassenen Hochebene, die junge Hirtin Marie kennen, rasch verlieben sich die beiden. Léo schwängert die Frau, die bereits zwei Kinder von einem anderen Mann hat und mit ihrem verbitterten Vater zusammenlebt.
Nun wäre eine gemeinsame Zukunft von Léo und Marie naheliegend, und eigentlich möchte Léo mit Marie diesen Schritt auch wagen, aber er will auch sein Vagabundenleben nicht aufgeben. Doch nach der Geburt des Kindes setzt Marie sich mit ihren zwei Kindern in die nächste Stadt ab, lässt Léo mit dem Baby zurück.
Bis da entwickelt sich alles halbwegs rational im fünften Langspielfilm von Alain Guiraudie. Doch nun bricht die Vorliebe des französischen Regisseurs für erzählerische Tabubrüche und drastische schwule Sexszenen voll durch, die man bereits in «L’inconnu du lac» erlebte. Ging es dort um einen sinnlosen Mord in der homosexuellen Swingerszene an einem Badesee, so zelebriert Guiraudie nun das Überhandnehmen der schwulen Seite des offensichtlich bisexuellen Léo.
Dieser gibt sich nun, mit dem Baby auf dem Arm, seiner Obsession für einen Jugendlichen hin, der bereits in einer der ersten Szenen des Films kurz aufgetaucht war. Doch als sich der Junge ziert, lässt Léo sich handfest mit dessen Mitbewohner ein, einem verrückten Alten, der gerne Pink Floyd hört und von früher träumt. Weiter gibt es in diesem zunehmend absurderen Panoptikum auch noch eine Heilerin in den Sümpfen, die Léo aufsucht, als er sich mit seiner Vaterrolle überfordert fühlt, und am Ende spielen dann auch wieder die Wölfe eine wichtige Rolle.
Ein Mann, der sich mit dem Kleinkind durchschlagen muss: Das sah man kürzlich in «Demain tout commence» von Hugo Gélin mit Omar Sy. Und einen Film über einen Mann mit Midlife-Crisis, der sein Schwulsein entdeckt? Das konnte man vor zwei Jahren etwa in Claudia Lorenz’ Erstling «Unter der Haut» miterleben. Die glatte und lineare Erzählweise von Filmen wie diesen verkehrt sich hier ins Gegenteil: Das Agieren der Hauptfigur (gespielt von Damien Bonnard, den man auch als französischen Soldaten in Christopher Nolans «Dunkirk» sehen kann) entfernt sich immer mehr von jeglicher Plausibilität.
So driftet der Film ins Märchenhafte ab, ohne die Realität zu verlassen. Er wirkt daher unentschlossen. Und man wird ein Gefühl nicht los: Die drastischen Sexszenen sollen dazu dienen, die Zuschauer angesichts einer immer konfuseren Story bei der Stange zu halten.
Bewertung: 2 von 5 Punkten
Geri Krebs