Traditionell am Stephanstag sang das Ensemble Corund, unterstützt vom Musikkollegium Winterthur und Gastsopranistin Regula Mühlemann, Mozarts grosse Messe in c-Moll. Es war ein musikalisches Fest.
Roger Daniel Tanner
Traditionen sind etwas, woran viele sich gerne festhalten. Der Musikbetrieb kennt etwa vielerorts die Institution des Neujahrskonzerts. In Luzern ist ein solcher Fixstern am Konzerthimmel das Konzert am zweiten Weihnachtstag des strahlend leuchtenden Ensembles Corund.
Diese Tradition wird von Jahr zu Jahr mit kleinen, aber feinen Extras am Leben erhalten. Zum einen ist es die Werkwahl, zum andern die Wahl der Solisten. In diesem Jahr entschied sich der seit 25 Jahren erfolgreiche Charismatiker und künstlerische Leiter des Ensembles Corund Stephen Smith für Mozarts grosse Messe in c-Moll oder was davon überliefert ist. Und für die mittlerweile als Starsopranistin gehandelte Luzernerin Regula Mühlemann. Sie hat mit Sicherheit mitgeholfen, die Reihen gestern im KKL Luzern so gut zu füllen.
Um dem renommierten und wahrscheinlich ältesten Orchester Europas, dem Musikkollegium Winterthur, einen angemessenen Einstand (es war sein erster Auftritt im KKL) zu ermöglichen, programmierte Direktor Smith Mozarts Haffner-Sinfonie für den ersten Teil des Konzertes. Dieser Einstand ist wohl geglückt und hat dem Applaus nach das Luzerner Publikum überzeugt.
Die ausgeprägte Spielkultur, eine differenzierte Dynamik und die verblüffende Homogenität zeichnen diesen Klangkörper aus. Einige Stellen wurden jedoch etwas vernachlässigt, so der Schalk und Witz und das pikante Bassthema im ersten Satz. Hingegen entfaltete das Orchester im Andante die Spannungsbögen sehr gekonnt, wobei die komplex komponierten Rhythmen eine Herausforderung darstellten. Im abschliessenden Presto brillierten insbesondere die historisch exakt nachgebauten Timpani (Pauken) mit den dazugehörenden harten Schlägern.
Der zweite Teil des Konzerts widmete sich Mozarts Schlüsselwerk, der c-Moll-Messe, welche im Stile einer Missa solemnis angelegt, aber leider nicht vollendet worden ist. Maestro Stephen Smith gestaltete mit seinem Corund einen strahlenden Klang, der mit den andächtig seufzenden Kyrie-Rufen das Publikum im Herzen bewegte. Einmal mehr vermochte das Ensemble in Doppelchor-Besetzung mit zwei bis drei Stimmen pro Register einen vollen Klang zu erzeugen, welcher den grossen Saal des KKL mühelos füllte.
Im «Christe»-Teil trat die Sopranistin Regula Mühlemann in den Vordergrund. Mit den Auf-und-ab-Bewegungen der Melodie zeichnete sie die Lebenskurve, wobei der 31-jährigen Sängerin in tiefen Lagen noch etwas die Bodenhaftung fehlte. Auch im Gloria brillierte der Chor und hob die Stimmung im Saal. Schade, waren in den Tutti-Stellen die Blechbläser etwas zu sehr im Vordergrund, was partiell den Chorklang etwas zurückdrängte.
Die anschliessende Bravour-Arie «Laudamus te» ist neben den glanzvollen Chorstellen einer der Höhepunkte in diesem Werk, welcher wahrscheinlich der Inspiration von Mozarts Braut Constanze zu verdanken ist.
Hier konnte die Sopranistin Mühlemann mit ihrer bestechend kernigen Höhe souverän den Saal mit himmlischer Musik füllen. Erneut war das Überklimmen der Sprünge in die Tiefe das Pièce de Résistance. Im Duett «Gratias» mit der Sopranistin Annina Haugg zeigten sich Regula Mühlemanns ausgeprägte Resonanzen, was stellenweise etwas unausgeglichen wirkte.
Eindrücklich interpretierten Chor und Orchester das «Qui tollis». Während die Sänger um Erbarmen flehten, peitschten die Instrumentalisten die verlorenen Seelen in den Himmel. Ebenso überzeugte die Fuge am Schluss des Glorias mit bestechender Transparenz.
Das Highlight des Konzerts war aus solistischer Sicht die Weihnachtssequenz des Credos «Et incarnatus est», in der Regula Mühlemann alle Register ihres Könnens zog. Wunderbar agogisch ausgearbeitet waren die Echo-Stellen mit den Holzbläsern, welche einer weit ausgedehnten und durchkomponierten Solokadenz gleichkommen.
Das Solisten-Quartett mit den beiden erwähnten Sopranistinnen, dem Tenor Laurent Galabru und dem Bariton Gerhard Nennemann wurde im Benedictus vom Orchester da und dort etwas in den Hintergrund gedrängt. Im abschliessenden Hosanna, welches vom Orchester veredelt wurde, brillierte das gesamte Ensemble mit glanzvollem Doppelchor-Klang und hob viele Zuschauer aus den Sitzen. Der lange Applaus bewog Stephen Smith, mit einem Weihnachtslied aus seiner amerikanischen Heimat sich musikalisch zu bedanken.