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Das Luzerner Sinfonieorchester setzt in der Saison 2019/20 starke und neue Akzente: mit einer Krönungstour, der Frühlingssinfonie mit Herbert Grönemeyer, einem neuen Festival und dem Probenhaus.
Was gehört dazu, dass sich ein Orchester «auf dem Weg in die Erstklassigkeit» befindet, wie das Luzerner Sinfonieorchester seine Medienmitteilung zum Programm 2019/20 selbstbewusst überschreibt? Klar ist: ein erfolgsverwöhntes Orchester, das die aktuelle Saison mit einem Grossaufgebot an Stars beschliesst, hat es immer schwerer, das Publikum zu überraschen. Aber beim Blättern im 231 Seiten starken Programmbuch kommt man doch spätestens auf Seite 78 nicht mehr aus dem Staunen heraus.
Dabei wird schon das Pflichtprogramm den Ansprüchen an ein «Hausorchester des KKL Luzern» gerecht. Dazu gehören 22 meist doppelt geführte Sinfoniekonzerte, die neben Chefdirigent James Gaffigan unter anderem von den Meisterdirigenten Marek Janowski und Pinchas Steinberg geleitet werden.
Zum Pflichtprogramm eines KKL-Orchesters gehören für Intendant Numa Bischof aber auch Familienprogramme und die vielfältigen Kammerkonzerte, deren Zahl erhöht wird. Und natürlich Starsolisten wie die Pianisten Fazil Say und Lise de la Salle, der Cellist Gautier Capucon oder die Geiger Vilde Frang oder Vadim Gluzman.
Dass Letzterer das Luzerner Orchester für seine Aufnahme eines zentralen Repertoirestücks – Beethovens Violinkonzert – auserwählt hat, gehört bereits zur Kür. Und das gilt noch mehr für das Extrakonzert mit der Ausnahmepianistin Martha Argerich, die mit dem Orchester (und Ravels G-Dur-Konzert) von Luzern aus auf Spanientournee geht: «Dafür würden Top-Orchester in aller Welt Schlange stehen», weiss Bischof.
Wichtig sind solche Auftritte für ein Orchester auch, weil es hier eine Marke setzen kann, die seinen internationalen Ruf weiter schärft. Das bestätigen und verstärken auch die sechs weiteren Tourneen des Orchesters etwa ans Ravinia Festival in den USA oder – zum vierten Mal – ins Concertgebouw Amsterdam.
Nach dieser «Krönung» durch die Argerich wagt das Orchester ein Experiment, das noch über die Kür hinausgeht. Da nämlich tritt Herbert Grönemeyer ans Pult. Er dirigiert die Frühlingssinfonie von Robert Schumann, den er im gleichnamigen Film an der Seite von Nastassja Kinski verkörperte, Rachmaninows filmreifes zweites Klavierkonzert (mit Martin Helmchen)und ein Meddley mit eigenen Songs.
Ein Popstar als Klassikdirigent? Will das Luzerner Sinfonieorchester von dessen Erfolg vor 15 Millionen Tourneebesuchern profitieren? «Jemand aus dem Umfeld des Orchesters hat einen persönlichen Kontakt zu Grönemeyer», erklärt Bischof: «Grönemeyer ist zum einen ein grossartiger Musiker und Sänger mit einem unglaublichen Charisma. Im Zürcher Hallenstadion schlug er kürzlich 10000 Besucher auf einen Schlag in seinen Bann.»
Kommt hinzu, dass der klassisch ausgebildete Sänger als musikalischer Leiter am Schauspielhaus Bochum einst mit Theatergrössen wie Claus Peymann oder der Choreografin Pina Bausch zusammenarbeitete: «Von da her», so Bischof, «ergibt sich eine Verbindung zur Welt eines klassischen Orchesters. Mich interessiert, was passiert, wenn man einen Künstler mit einer derartigen Ausstrahlung vor ein Orchester stellt» (6. und 10. Mai).
Daneben wartet das Programm mit weiteren markanten Neuerungen auf. Die wichtigste ist, dass zwei Sinfonie- und mehrere Kammerkonzerte zu einem zusätzlichen Festival gebündelt werden. Hier kann man unbekannte Werke bekannter Komponisten wiederentdecken. So erklingen im Saint-Saëns-Festival vom 23. bis 27. Mai unter anderem dessen fünf Klavierkonzerte und die zweite Sinfonie.
Eines der Kammermusik-Konzerte findet im neuen Probenhaus des Orchesters statt, das im Mai mit Familienprogrammen eröffnet wird. Mit dem Zaubersee-Festival (13. bis 17. Mai) mit russischer Musik und den drei Konzertwochenenden auf dem Pilatus (im Oktober mit Beethoven mit dem Hagen Quartett) führt das LSO damit drei thematische Festivals durch.
Einen Schwerpunkt in den Sinfoniekonzerten bildet das grosssinfonische Repertoire, das James Gaffigan mit Werken von Brahms, Bruckner, Dvořák, Rachmaninow, Sibelius und Tschaikowsky erschliesst. Zwei Akzente setzt die Zusammenarbeit mit lokalen Kräften: In einem Benefizkonzert treten Regula Mühlemann und der Pianist Oliver Schnyder gemeinsam auf (15. März). Im Dezember führt das Orchester unter der Leitung des Barock-Spezialisten Jonathan Cohen und mit dem Ensemble Corund Händels «Messiah» auf.
Auffällig ist, wie sich im Mai Grönemeyer, die Eröffnung des Probenhauses sowie Zaubersee und Saint-Saëns zu einer Art Festival verdichten. Auch das unterstreicht den «Weg in die Erstklassigkeit», für dessen Finanzierung das Orchester auf Sponsorengelder von rund vier Millionen Franken angewiesen ist. «Die Sponsorensituation ist stabil, wir haben sogar einen internationalen Sponsor hinzugewonnen», freut sich Bischof. Auch die Zahl der Besucher entwickelt sich weiterhin sehr positiv: «Ich gehe von vollen Rängen aus».
www.sinfonieorchester.ch