Innovativ in Coronazeiten: Luzerner Kali-Gallery zeigt 360-Grad-Tour als virtuelle Vernissage

Der junge Sebastian Haas zeigt in der jungen Kali Gallery eine perfekte Ausstellung zur Coronazeit. Am Karsamstag um 18 Uhr ist die virtuell-reelle Vernissage mit DJ J.Stroke aus New York.

Edith Arnold
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Sebastian Haas (rechts) mit Galerist Nicolai Kalinowsky und Kuratorin Markéta Jáchimová.

Sebastian Haas (rechts) mit Galerist Nicolai Kalinowsky und Kuratorin Markéta Jáchimová.

Bilder: Christian Kaufmann / PD

Die Kali Gallery liegt an der Lädelistrasse 4 im Baselstrassenquartier hinter Eisengeländern. Aus physischer Distanz lässt sich die Ausstellung «Plangent» (englisch für «durchdringend») gut durch die Fenster erspähen. Doch es gibt in der Coronazeit noch direktere Möglichkeiten. Drive-in-Kunstbesuche etwa: «Bei offenen Toren könnte man sogar im Range Rover vorfahren», sagt Galerist Nicolai Kalinowsky: Aussteigen, anschauen, wieder einsteigen. Man müsse bei ihnen keine Türen berühren, auch keine Hände schütteln, dafür die Fünf-Personen-Beschränkung einhalten.

Nebst dem Galeristen ist Künstler Sebastian Haas vor Ort. Der Berner studiert an der Luzerner Kunsthochschule. Nicht dabei ist an diesem Tag die tschechische Kuratorin Markéta Jáchimová, da sie irgendwie ihren Abschluss an der Zürcher Hochschule der Künste über die Bühne bringen muss. Seit der Gruppenausstellung im Dezember, an der Haas teilgenommen hat, sind die Drei ein eingespieltes Team. Es sei interessant, sich gemeinsam weiter zu entwickeln, finden sie. Das Verhältnis basiere auf Vertrauen.

Die Ausstellung in der Kali Gallery ist für die virtuelle Eröffnung parat. Im Vorraum hängt ein «Fotogramm» in Eigelb. Normalerweise arbeitet der Künstler in Schwarz und Weiss und den Schattierungen dazwischen. Doch irritierender als die Farbe ist der weisse Stab aus Carbonfaser davor. Fünf Millimeter dünn und zwei Meter hoch steht er da.

Ein Objekt wirkt wie eine amorphe Corona

An den Fenstern zum Hauptausstellungsraum fallen derweil schwarze Punkte auf. Die Galerie im hundertjährigen Gebäude diente früher als Schlosserei. Und die Spuren von heissen Spänen werden nun zu einem feinen Detail – in einer Ausstellung, die spannungsvoll zur verrückten Zeit passt. Dabei war sie bereits im Herbst aufgegleist worden.

Vor der 89 mal 120 cm grossen Hinterglasmalerei «ohne Titel» von 2018 ragen drei weitere Stäbe aus dem Boden. Die vertikalen Distanzhalter wirken auch horizontal. Und sie korrespondieren mit den weissen Linien im Bild. Das Objekt aus dem 3D-Drucker wirkt gerade wie eine amorphe Corona. Es könnte ebenso aus dem Bild auf den Boden geschwebt sein.

Rechts: Sprühlackbild von Sebastian Haas.

Rechts: Sprühlackbild von Sebastian Haas.

Sebastian Haas produziert vor allem moderne Hinterglasmalerei in einer Zeit von Displays, Bildschirmen, Distanzscheiben. Alle Werke werden von hinten mit Sprühlack und Öl gemalt. Sie folgen optischen Prinzipien. Dünner, schwarzer Alurahmen. Oben und unten eine schwarze Linie. Horizontale Strukturen auch auf der Bildfläche. Dazwischen wirken organische Andeutungen dreidimensional zum Betrachter hin. «Meine Malerei bewegt sich im klassischen Spannungsfeld zwischen Figuration und Abstraktion, zwischen Architektonik und Organik. Es geht um Dynamik, aber auch um statische Elemente», erklärt Haas. Inspiration ist für ihn Giorgio de Chirico, der Meister der Pittura metafisica, der metaphysischen Malerei.

Glas kann immer wieder desinfiziert werden

Zehn Werke in unterschiedlicher Grösse hängen in der Kali Gallery. Der 27-jährige Künstler zeigt, dass mit seiner bestechenden Idee fast unendliche Variationen möglich sind. Zudem können die Glasbilder angefasst werden, immer wieder desinfiziert wie ein Smartphone.

Zur Ausstellung ist das Video «Studio Visit» entstanden. Es zeigt den Künstler in seinem Atelier in der Viscosistadt mit Blick auf Fluss und Stahlindustrieatmosphäre. Rechtzeitig wird auch der Online-Viewing-Room aufgeschaltet. Er soll zu einer 360-Grad-Tour einladen und die Werke inklusive Preise näher bringen. Denn man könne diese auch kaufen, regt der Galerist an.

Auch in der Kunst hat das Coronavirus in kürzester Zeit viel ausgelöst. Nun gilt es, das Positive weiterzuentwickeln – im Physischen wie im Virtuellen. Nicolai Kalinowsky will aus den Ereignissen für die Zukunft lernen. Und mit der neuen Ausstellung ist er auf dem besten Weg zu seiner Vision: «Künstler zumindest schweizweit bekannt machen.» Durch die virtuelle Vernissage heute Samstag mit dem New Yorker DJ J. Stroke weitet sich der Resonanzraum jedenfalls über die junge Kunstszene hinaus aus. Und wer unbedingt einen physischen Beweis braucht, kann sich ja kurz vor die Eisengitter an der Lädelistrasse begeben.

Sebastian Haas, «Plangent»: Kali Gallery, Lädelistrasse 4, Luzern. Bis 15. Mai. Virtuelle Eröffnung Kar-Samstag, ab 18 Uhr; 360-Grad-Tour ab 18.30: www.kaligallery.com.

Grauzone sorgt für Verunsicherung

«By Appointment» – nach Vereinbarung: Exklusive Besuche werden von internationalen Galerien längst angeboten. Das Modell kann nun auch in Coronazeiten durchgehen. In vielen Galerien herrscht indes Verunsicherung. Doch was nicht verboten oder genau geregelt ist, ist erlaubt. Sofern die Hygieneregeln (Desinfektionsmittel, Wasser und Seife zum Händewaschen) und das Abstandhalten (zwei Meter, nicht mehr als fünf Personen) eingehalten werden. Nebst der Galerie Urs Meile (Ausstellung Julia Steiner), Galerie Vitrine (Ernesto Rodriguéz Gonzàlez) oder Kali-Gallery (Sebastian Haas) bietet in Luzern etwa die Galleria Periferia Besichtigungen nach Vereinbarung an. Auf deren Vernissage zu Sharon Kivland folgten direkt Coronaeinschränkungen. Die Ausstellung wird nun verlängert. Und in der Galerie Kriens bleibt die Ausstellung von Thomas Birve weiter installiert. Via www.galerie-kriens.ch können Besuche angefragt werden. (ea)