LEBENSWERK: Polo Hofer: Vom Kiosk bis zum Gebet

Mit Polo Hofer verabschiedet sich nicht nur ein Pionier des Schweizer Mundartrocks, sondern auch eine Musiklegende. Wir zeichnen seine Karriere anhand zehn seiner Lieder nach.

Michael Gasser
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Polo Hofer (1945 bis 2017) war ein bodenständiger Sänger, ein ausgiebiger Trinker und wortgewandter «Polosoph». (Bild: Alessandro della Valle/Keystone (Bern, 1. September 1990))

Polo Hofer (1945 bis 2017) war ein bodenständiger Sänger, ein ausgiebiger Trinker und wortgewandter «Polosoph». (Bild: Alessandro della Valle/Keystone (Bern, 1. September 1990))

Michael Gasser

1. 1971 gründet Urs «Polo» Hofer zusammen mit Hanery Amman und Schifer Schafer, später bei Stiller Has, die Mundartband Rumpelstilz. Vier Jahre später veröffentlicht diese ihr Début «Vogelfueter». Der Song «POTburri», eine unverkennbare Anspielung aufs Kiffen, präsentiert sich als Art-Rock-Versuch inklusive Sitar, bei dem Polo Hofer seine Angebetete geradezu schüchtern besingt.

2. Mit der Textzeile «Bini Gottfried Stutz e Kiosk? Oder bini öppen e Bank?» schaffen es Polo Hofer und seine Rumpelstilz bis auf Platz 2 der Schweizer Hitparade. Mit einer hochdeutschen Version feiern sie überdies Erfolge in Deutschland. Beides zu Recht, denn der Song verbindet linde Reggae-Rhythmen mit Akkordeon-Sounds – das überrascht und überzeugt. Nicht zuletzt, weil der Liedtext so originell wie humorvoll ist.

Rumpelstilz: «Kiosk», 1976

3. Mit ihrer dritten Platte, «La Dolce Vita», finden Rumpelstilz und ihr Leadsänger Polo Hofer endgültig zu ihrem Sound, der Americana, Blues und Southern-Rock mischt und für Schweizer Verhältnise gut groovt. Mit «Die gfallene Ängel» beweisen die Berner, dass sie insbesondere auch mit Balladen bezaubern.

4. Rumpelstilz lösen sich auf, worauf der Frontmann 1978 eine neue Band ins Leben ruft: Polo’s Schmetterding. Auf deren zweiter Platte «Typ-Topi-Type» von 1979 lebt Hofer mit «Oh Ramona» seinen Hang zum Kitsch aus: Das Stück schwelgt in Mariachi-Harfenklängen und lockt zum Schunkeln. Hofe besingt darin geradezu liebestoll eine für ihn unerreichbare Dame aus dem Etablissement.

5. 1984 wagt der Sänger einen Neuanfang und gründet Polo Hofer & die Schmetterband. Bereits auf ihrem ersten Longplayer «Giggerig» gelingt der Formation das sanft wiegende und lustvolle Poplied «Alperose». Obschon dieses nicht als Single vorgesehen ist, wird der von einer Liebesnacht auf der Blüemlisalp handelnde Track vom heimischen TV-Publikum 2006 zum «grössten Schweizer Hit aller Zeiten» gekürt. Die folgende Zeilen mittlerweile schon Volksgut:

6. Im Folgejahr bringt die Band das Werk «Im wilde Weste» auf den Markt. Auf diesem setzt sich der Lebemann Hofer, inzwischen 41-jährig mit dem Tod auseinander. Zu Blues, der mit souligen Chörli hinterlegt ist, lässt Hofer seinen Emotionen freien Lauf. Das Resultat ist aufwühlend und wird zu einer weiteren Polo-Hymne.

7. Anfang der 1990er-Jahre zeichnet sich ein Mani-Matter-Revival ab. Der 1972 verstorbene Berner Troubadour wird mit einem Tribute-Album geehrt, auf welchem sich Hofer mit «Warum sit dir so truurig?» hervortut. Der Künstler verleiht Matters Liedtext stille Schwermut. Das passt und verdeutlicht: Polo Hofer ist zum «Elder Statesman» des Schweizer Mundart-Rocks gereift.

8. Hofer geht auf seinen 60. Geburtstag zu und ist sich sicher, dass er nichts mehr zu beweisen braucht. Er packt nur noch das an, worauf er Lust verspürt. Unter anderem lebt er nun sein Flair für Duette aus: Zusammen mit Büne Huber von Patent Ochsner widmet sich Hofer in «Nüt meh als am Stür» (zu finden auf dem Album «Gold, Silber u Perle») sowohl dem Country als auch dem Berner Fernweh. Das Ergebnis ist weniger umwerfend als ungemein abgeklärt und relaxt.

9. Obschon Hofer kurz vor dem Pensionsalter steht, hält er nichts vom Milderwerden. Mit «Arsch-lo.ch» von seiner Soloplatte «Prototyp» wütet er gegen Raser. Zu texanisch anmutenden Outlaw-Sounds im Walzertakt nimmt der Musiker kein Blatt vor den Mund. Und betitelt jenen Autofahrer, der ihm auf seiner Fahrt in Richtung der A1 den Weg abgeschnitten hat, als «Arschloch».

10. 2014 verkündet Polo Hofer seinen Rücktritt. Eine letzte Platte will er noch einspielen, danach möchte er Schwäne am Thunersee füttern. Wie angekündigt spielt er das Album «Ändspurt» ein, das mit dem gospelartigen «Sing es Gebät» endet. Es ist ein leises Abschiednehmen. Und ein passendes Vermächtnis für den grössten und wohl auch knorrigsten Mundartsänger der Schweiz.