Die Young-Konzerte überzeugten ohne Flop. Und doch bleibt eine Lücke zwischen niederschwelligen Angeboten und den grossen Brocken für den Nachwuchs im Konzert.
Urs Mattenberger
Die Young-Konzerte des Lucerne Festival sollen nicht nur jungen Besuchern Spass machen, sondern sie als Publikum der Zukunft anfixen für klassische Musik. Das Spektrum reichte von Sitzkissenkonzerten bis zur Aktion «Mit dem Nachwuchs ins Konzert». Und im Rückblick zeigt sich, welche Fortschritte die Young-Programme unter der Leitung von Johannes Fuchs machen.
Das Hochdeutsch etwa, das einst bei Vierjährigen Barrieren schuf, war aus den Young-Programmen eliminiert. Möglich macht es Fuchs’ Ansatz, das instrumentale Spiel selber zur theatralen Aktion zu machen, die ohne Sprache auskommt und vorzüglich zum Thema «Humor» passte. Exemplarisch eingelöst wurde die Idee schon letztes Jahr durch eine Young Performance, die von der furzenden Posaune bis zum Imponiergehabe der Sologeige für alle Altersgruppen ab fünf Jahren attraktiv war.
Ob sich dieser Wurf wiederholen lässt, wird die Young Performance Fensadense am Samstag zeigen. Abgewandelt wurde das Konzept aber schon in den bisherigen Young-Konzerten. Seine Grenze zeigte es beim Sitzkissenkonzert von Masha Dimitri. Da rückten Zirkusszenen die Musik von Carlos Pacheco derart in den Hintergrund, dass von Anfixen keine Rede sein konnte.
Weit besser gelang dies am Sonntag im Südpol. Farbig gespielte Ethno-Klassik – mit handfesten Charakteren vom Akkordeon bis zum Kontrabass – hielt zusammen mit dem Fremdsprachen-Kauderwelsch eine «Schurken»-Truppe auf der Suche nach dem utopischen Land «Umbidu» lustig auf Trab. Und die Kinder bei der Stange, obwohl der dünne Plot nicht den Vorstellungen entsprach, die sie mit Schurken verbinden.
Mit Worten lässt sich eben doch griffiger eine Geschichte erzählen, die Kinder in jede Musik hineinzieht. Das zeigt (bis 27. September) das Figurentheater Petruschka. Auch dessen «Karneval der Tiere» bietet zwar mehr Poesie (mit den wunderbaren Sandmalereien von Marianne Hofer) als Action. Aber mit der Rückkehr einer Seiltänzerin ist sogar eine Liebesgeschichte integriert, deren Schluss mit dem «Schwan» selbst Erwachsene zu Tränen rühren kann – erst Recht, weil die Musik hier erstmals live gespielt wird. Auch wenn der stimmungsvolle Tribschenpavillon dem akustisch Grenzen setzt, werden Kinder hier mit allen Sinnen verzaubert.
Die grösste Überraschung war aber ein kindgerechtes Konzert, das nicht unter dem Label «Young» lief: Der Auftritt des exzellenten Concerto Italiano am Sonntag im Luzerner Theater. Lieder von Monteverdi kamen da so schwungvoll-süffig daher wie aktuelle Ethnomusik, die in Kinderkonzerten zu Recht gern einbezogen wird. Und Banchieris Karnevalsgesänge lockerten schmachtendes Liebesgetändel mit Tier-Imitationen so lustvoll-theatralisch auf, dass das Kinder problemlos bei der Stange hielt.
Es gibt eben sogar kindgerecht programmierte Erwachsenenkonzerte! Vielleicht müsste das Festival einen Fokus auch auf solche richten. Sie nämlich könnten – nach dem Vorbild der «40min» in knapper Form – die Lücke füllen zwischen niederschwelligen Kleinkindproduktionen und den abendfüllenden sinfonischen Brocken für den «Nachwuchs im Konzert». Schon für diesen gilt, was Wolfgang Rihm über die Festival-Academy sagte: Am besten kann man Menschen für Musik gewinnen, indem man tolle Werke toll spielt.