Für diese Kolumne habe ich in meinen alten dtv-Taschenbüchern gekramt, die ich tatsächlich noch habe. Die zerfledderte Ausgabe von «Ansichten eines Clowns» ist von 1982, damals war ich 13, wohnhaft in Süddeutschland (so würde Böll es vielleicht formulieren), und der Christdemokrat Helmut Kohl löste den Sozialdemokraten Helmut Schmidt als Bundeskanzler ab.
Eine Zeitenwende. Es würde fortan weniger Sozialdemokraten geben und weniger Deutschlehrer, die mit ihren Schülern Heinrich Böll lesen. Doch trotz Kohl: In der zehnten Klasse war «Die verlorene Ehre der Katharina Blum» Schulstoff – das Buch wie der Film. Eine Geschichte, die ich wesentlich spannender fand als jene vom Clown Hans Schnier, der sich gegen die Wohlstandsgesellschaft auflehnt.
Für dieses Buch war ich auch schlicht zu jung, als ich es in die Hände nahm. Gekauft hatte ich es eines Nachmittags in der einzigen Buchhandlung unserer kleinen Stadt – die selbstverständlich einer Sozialdemokratin gehörte.
Lustigerweise besprach ich das Buch in einem Leseklub für Teenager im katholischen Pfarreiheim. Ich erklärte damals, die Lektüre hätte mich Nerven gekostet, aber einmal zu Ende gelesen, hätte mir der «Clown» gefehlt. Vermutlich war ich da dem «sensiblen Einfühlungsvermögen» des Autors erlegen, von dem 1972 in der Begründung zur Verleihung des Literaturnobelpreises an ihn die Rede war.
Mit 20 war ich dann sehr beeindruckt vom «Gruppenbild mit Dame». Und wie beim «Clown» hallte ein Gefühl nach, mehr noch als der Inhalt. Gerade eben las ich nach vielen Jahren erneut die Satire «Nicht nur zur Weihnachtszeit» – und lachte sehr.
Susanne Holz