Schauspieler Müller-Drossaart wagt sich an wortgewaltigen Luzerner Roman

«Bajass» von Flavio Steimann wird am Wochenende im Theaterpavillon als Erzähltheater aufgeführt.

Arno Renggli
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«Bajass»-Autor Flavio Steimann (links) und Hanspeter Müller-Drossaart in der Rolle des Ermittlers Albin Gauch.

«Bajass»-Autor Flavio Steimann (links) und Hanspeter Müller-Drossaart in der Rolle des Ermittlers Albin Gauch.

Bilder: PD

Nach der szenischen Umsetzung von «Der Traffikant», eines Romans des Österreichers Robert Seethaler, hat sich der bekannte Innerschweizer Schauspieler Hanspeter Müller-­Drossaart eines Innerschweizer Stoffes angenommen: Vorlage für sein neustes Erzähltheaterstück «Bajass!» ist der gleichnamige Kurzroman des Luzerner Autors Flavio Steimann (74) aus dem Jahre 2014. Er spielt sich zum grossen Teil auf der Luzerner Landschaft ab.

«Als ich den Roman las, hat es mich einfach umgehauen», begründet Müller-Drossaart die Wahl: «Was für wunderbare atmosphärische Bilder in einer ungemein elaborierten und kunstvollen Sprache! Die von Buschi Luginbühl und mir für Radio SRF produzierte Hörspielfassung hat die Idee noch bekräftigt.»

Eine Art Krimi, aber mit besonderem Fokus

Wenn man den Roman von Flavio Steimann wieder liest, kann man die Idee, ihn auf die Bühne zu bringen, gut nachvollziehen. Diese Sprache mit ihrem Wortschatz, ihren Lautmalereien, die gleichermassen Ereignisse, Örtlichkeiten und Gedankenwelten namentlich der Hauptfigur in üppiger Plastizität zu schildern vermag, ruft geradezu danach, sie auch zu Gehör zu bringen. Spannend wird sein, wie dem Einpersonenstück auch das visuelle Erzählen gelingt. Wobei die Reduktion auf die Hauptfigur, durch deren Augen, Ohren, Herz und Gemüt alles erlebt wird, durchaus naheliegend ist.

Der Roman kommt zunächst wie ein Krimi daher: Es gibt einen Mord an einem Bauernpaar, einen Fahnder, eine finale Aufklärung. Aber Steimann hat wohl kaum die Krimistory ins Zentrum seines Bestrebens gestellt. Denn diese ist in wenigen Sätzen erzählt und geht auch nur sehr zögerlich voran. Insofern mag auch der Vergleich mit den Krimis eines Friedrich Glausers, wie er schon angestellt worden ist, punkto sprachlicher Qualität, Atmosphäre und gesellschaftlichem Background des beginnenden 20. Jahrhunderts passen.

Aber während Glausers Wachtmeister Studer in unbeirrbarer beharrlicher Kleinarbeit den Tätern auf die Schliche kommt, lässt sich bei Steimann ein desillusionierter, eigentlich lebensmüder Fahnder Gauch lustlos durch die Ermittlungen treiben. Und erreicht kaum etwas, bis ihm der Zufall – hier lässt Dürrenmatt grüssen – doch noch auf die Sprünge hilft. Und am Ende beschäftigt ihn die Lösung des Falles weniger als eine damit verbundene moralische Frage, der er sich dann mit aller auch persönlichen Konsequenz stellt.

Neben dem bestürzenden Psychogramm des Fahnders packt der soziale Hintergrund des bäuerlichen Lebens, und dann auch derjenige des Auswandererschiffs in die USA. Auf diesem landet Gauch im Zuge seiner Nachforschungen. So unterschiedlich beide Szenerien zunächst scheinen, so gleichermassen sind sie von menschlicher Not und gesellschaftlicher Ungerechtigkeit geprägt, der gegenüber Steimann bei aller literarischer Ambition auch sehr viel Mitgefühl zeigt. Etwa in Bezug auf Kinder und Jugendliche, die auch in der Schweiz rücksichtslos ausgebeutet worden sind. Dies kommt beim Leser an, und wird seine Wirkung auch auf der Bühne nicht verfehlen.

Eigener Hintergrund und Ausdrücke von damals

Müller-Drossaart, 1955 in Sarnen geboren und in Altdorf aufgewachsen, spricht von einer «eigenen Identität zum helvetisch-bäuerlichen Wesen», die er als Fundament seiner Darstellung setzen könne. Dazu gehöre nicht zuletzt die Sprache, welche bewusst auch damalige Helvetismen einsetze. Diese sind vielen heutigen Menschen vielleicht unbekannt, erschliessen sich aber durch den Kontext.

Das grosse Publikum kennt Müller-Drossaart aus Kinohits wie «Grounding», «Die Herbstzeitlosen» oder «Eine wen iig, dr Dällebach Kari» sowie TV-Produktionen wie «Lüthi und Blanc» «Gotthard» oder «Bozen Krimi». Auch auf der Bühne ist er oft anzutreffen, wo mit grosser Kelle angerichtet wird, zuletzt beim Landschaftstheater Ballenberg in «Steibruch – zrugg us Amerika».

Was reizt ihn also an den reduzierten Möglichkeiten eines Einpersonenstücks? «Die unmittelbare Begegnung zwischen Sprache und Publikum, das Erzählen von Geschichten in unaufwendiger, karger Form, wenn in den Köpfen der Zuhörenden und Zuschauenden Bilder entstehen. Und dies in unverfälscht analogem Spiel, in immer wieder einmaligen Momenten.»

«Bajass!»:
Erzähltheater mit Hanspeter Müller-Drossaart, Inszenierung Buschi Luginbühl. Theater Pavillon, Spelteriniweg 6, Luzern, Freitag, 17. Januar, 20.00 Uhr. Samstag, 18. Januar, 20.00 Uhr, Sonntag, 19. Januar, 17.30 Uhr. Infos: www.theaterpavillon.ch. Romanvorlage: «Bajass» von Flavio Steimann. Edition Nautilus, 2014, 128 Seiten.