Liebe, Laster und Leidenschaft: «Rock of Ages» im Le Théâtre lässt es dampfen und brodeln wie in den 1980er-Jahren.
Die letzten zehn Minuten sind ein Fest. Das Publikum ist auf den Beinen, klatscht im Rhythmus von «Don’t Stop Believin’», dem bekanntesten Stück der legendären US-Rockband Journey. Es ist das explosive Finale der feurigen Premiere von «Rock of Ages» im Le Théâtre Emmen. Über zwei Stunden wird ein Song an den anderen gereiht, die 1980er-Jahre explodieren: «Just Like Paradise» (David Lee Roth), «Keep On Loving You» (REO Speedwagon), «The Final Countdown» (Europe). Ein Nummer Eins Hit folgt dem anderen. Hart und soft. Feuer und Eis. Leder und Haut. «Rock of Ages» ist, pünktlich zum 10-Jahre-Jubiläum, erstmals in der Schweiz zu erleben.
Und wie. Dem Casting-Team um Irène Straub – sie selber gibt mit tiefer und reicher Stimme der Mutterfigur ihren Charakter – ist es gelungen, jede Rolle herausragend zu besetzen.
Erzähler Lonny, gespielt von Felix Freund, ist die personifizierte Legende. Wilde Frisur, rockige Stimme. Mit der witzigen Überheblichkeit jener, die alles besser wissen, führt er durch den Abend. Er und der füllige Ronald Tettinek – perfekte Verkörperung des Clubbesitzers Dennis – sorgen für den emotionalsten Moment der Show. Bei «Can’t Fight This Feeling» (original von REO Speedwagon) legen sie ein denkwürdiges Duett aufs Parkett, witzig und stimmig. Fern jener Blödheit, die oft solche Theatermomente zeichnet. Eine kernige und rührende Feier einer Männerfreundschaft.
Der (Frauen-)Liebling ist der Italiener Antonio Calanna, der wahre Rocker in der Truppe. Kreischende Stimme, arrogante Allüren und ein Body, der strippende «Chippendales» locker in den Schatten stellt. Männer sind hier noch Männer, eben etwas aus der Zeit geworfen. Doch das Gejohle im Publikum erreicht beim arroganten Adonis definitiv die höchste Lautstärke.
Ein überraschender Trumpf ist der Zuger Elias Ziegler, einer der wenigen Amateure des Castes. Mit gezieltem Schweizer Akzent, Akrobatik und sicherem Spiel bietet er seinem Vater und Investor (authentisch: Frank Bahrenberg) Paroli. Und Nedime Ostheimer als Protestführerin besingt gefühlsstark ihren Frust mit «We’Re Not Gonna Take It!» (Twisted Sisters).
Die Hauptdarsteller stehen mit ihrer konventionellen Lovestory da fast etwas in der zweiten Reihe. Doch die Deutsche Jessica Lapp spielt glaubwürdig den Übergang vom Landei zur Stadtrockerin. Grossartig ist die Auto-Szene, wo sie mit ihrem Partner Robin Reitsma – er überzeugt als Rocker ohne Machogehabe – von einer romantischen Zukunft träumt («Waiting For A Girl Like You» von Foreigner).
Die Band um Keyboarder Arno Renggli bringt diese Saison viel Extra-Power auf die Bühne. Für einmal mitten im Geschehen, rocken sie, was die Gitarren hergeben. Hingegen wirkt die Choreografie (Maria Focaraccio) nur mässig originell.
Die Regie von Silvio Wey und Carlotta Jarchow (Dramaturgie) malt die männerdichte Gesellschaft des Rockmilieus mit einem Augenzwinkern. Zwar wird stilgerecht viel Haut gezeigt. Gleichzeitig unterlaufen sie aber jene maskuline Szene durch witzige Einsprengsel. Männer, die mit Presslufthämmern «The Final Countdown» untermalen. Oder der tolle Moment im 1980er-Jahre Auto, das vor einem Bildschirm durch die Landschaft rollt. Das Bühnenbild ist schlicht und in Metal gehalten, überzeugende Rock-Club Kulisse und Stimmungselement in einem. Die Handlung ist einfach, die Gags sorgen oft für bequemen, schnellen Humor.
Doch die Stärke der Akteure, das rasante Tempo, die raffinierte Mischung aus Musik und Text, sowie ein paar lokale Witze zur Mall of Switzerland oder der «Confiserie Kleinmann» sorgen für viele Lacher und eine ausgelassene Stimmung im Publikum. Verglichen mit der Premiere des Musicals «Heiweh-Fernweh» in der Messehalle Luzern fährt «Rock of Ages» klar ein paar Gänge höher. Nach «Sister Act» von 2018, ist dem Le Théâtre wieder ein grosser Wurf gelungen. Es ist eine Show mit Feuer, Witz und Emotionen.
«Rock of Ages», bis 19. Januar in Emmenbrücke, www.le-theatre.ch.