Der Berner Oberländer Trauffer ist hier erfolgreicher als Superstar Adele. Eine Annäherung an ein Phänomen.
Schon eine Stunde vor dem Konzert ist das «Einstein» in Aarau gerammelt voll. So voll, dass die Fans vor dem Fenster stehen müssen, um wenigstens etwas mitzubekommen. Und drinnen ist der Teufel los. Schon beim ersten Stück johlen und grölen alle mit, schon beim zweiten Stück stehen alle auf den Stühlen und Tischen.
Alle Stationen der laufenden Tour waren bisher ausverkauft. In der Schweiz herrscht die Trauffer-Mania. Sieben Wochen lang war der Berner Oberländer an der Spitze der Schweizer Hitparade und liess damit in diesem Jahr sogar Superstar Adele hinter sich. «Wahnsinn, abartig», sagt Trauffer zum aktuellen Erfolg und kann es selbst kaum fassen. «Erfolg ist so etwas wie Husten», sagt er, «man weiss nie, weshalb er da ist.»
Der Erfolg ist ihm nicht in den Schoss gefallen. Als Marc Trauffer vor acht Jahren seine Solokarriere lancierte, rieten ihm die Plattenbosse davon ab, Rockmusik mit Volkstümlichem zu vermischen. «Das Heimatzüüg, vergiss de Seich», singt er heute im Lied «Trauffer isch zrügg», das diese Startschwierigkeiten thematisiert. Den Karriere-Tiefpunkt erreichte er 2008 an einem Konzert in Wohlen, wo sich wirklich «keine Sau» für den Berner Oberländer und seine volkstümliche Rockmusik interessierte. «Ich musste mich tatsächlich fragen, ob das alles Sinn macht», sagt er rückblickend.
Die Wende kam dank den Musikern. Vor allem der Gitarrist Frank Niklaus hat immer an Trauffer geglaubt. «Wir haben uns den Arsch abgespielt, sind an jeder Hundsverlochete aufgetreten und haben immer alles gegeben», sagt Trauffer, «dort haben wir uns die Fanbasis geschaffen.» Der 37-jährige Sänger und Frontmann ist überzeugt, dass heute die Live-Kompetenz entscheidend ist. «CD und Radio-Airplay sind zweitrangig», sagt er, «der Weg zum Erfolg führt über Konzerte. Dort, wo du das Publikum direkt erreichst.»
Doch Trauffer polarisiert immer noch. Tatsächlich lässt er in seinen Texten kein Klischee aus. Das passt nicht allen. Begleitet von Kuhglocken und Schwiizerörgeli, glorifiziert er die Heimat und zelebriert die heile Welt der Berg- und Landgemeinschaft. «Zieh zu mier uf z’Land a di früsch Luft ... wit ewäg vo däm Puff ... hie si alli guet druf», singt er in einem neuen Song auf «Heiterefahne».
Trauffer ist sich bewusst, dass auch auf dem Land nicht nur heile Welt herrscht. «Es gibt hier natürlich auch Streit und Knatsch», gibt er zu, «aber wenn es drauf ankommt, ziehen alle am gleichen Strick. Das gefällt mir.» Doch in die Ecke der SVP lässt er sich nicht drängen. Vielmehr sieht er sich als «typischen Wechselwähler mit sozialem Gewissen, der in der Mitte positioniert ist und sachpolitisch mit gesundem Menschenverstand politisiert».
Trauffer verzichtet bewusst auf gesellschaftskritische Texte. «Andere können das viel besser», sagt er und weiss ganz genau, dass er mit Textzeilen wie «Frl. Marty, chum mier mache Party, uf das warti» keinen Lyrikpreis gewinnen kann. «Ich bin Unterhalter, kein Künstler. Mein Ziel ist es, beim Publikum gute Laune und gute Stimmung zu verbreiten. Und das funktioniert nicht ganz schlecht», sagt der Alpentainer.
Trauffer profitiert sicher vom Zeitgeist. Von der Rückbesinnung auf Tradition und traditionelle Werte, vom Rückgriff aufs Lokale und auf die eigenen Wurzeln. Es ist die Reaktion auf die sich immer rasanter bewegende Globalisierung. Eine Bewegung, die immer mehr auch die urbanen Zentren erfasst. Das merkt auch Trauffer.
Der Hype um Volks-Rock-’n’-Roller Andreas Gabalier hat Trauffer sicher auch geholfen. Mit dem Österreicher ist er schon einige Male aufgetreten und hat dabei keine schlechte Figur gemacht. Wieso soll Trauffer im deutschsprachigen Alpenraum nicht gelingen, was Gabalier geschafft hat? Der Berner Oberländer winkt ab. «Das Ausland interessiert mich nicht», sagt er dezidiert. Der Aufwand wäre zu gross und nicht mit seiner Aufgabe als Geschäftsleiter des Familienunternehmens Trauffer Holzspielwaren AG zu vereinbaren. «Die Firma kommt vor der Musik», sagt er, «als Geschäftsführer habe ich gegenüber meinen 50 Angestellten eine Verantwortung.» 2013 wurden Trauffer und seine Firma mit dem Thuner Sozialstern ausgezeichnet, einem Preis, der Firmen verliehen wird, die sich für die berufliche Integration von beeinträchtigten Menschen einsetzen.
Stefan Künzli