Livestream
Luzerner Sinfonieorchester: Geigenzauber und ein Klangbad im Kopf

Ein Konzert seines abgesagten Sibelius-Festivals rettete das Luzerner Sinfonieorchester in einen Livestream. Mit der Geigerin Noa Wildschut bot dieser eine veritable Entdeckung: so live wie die Kammerkonzerte, die das Orchester jetzt wieder mit Publikum durchführt.

Urs Mattenberger
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Vor dem Auftritt im Livestream: die Geigerin Noa Wildschut im Orchesterhaus beim Südpol.

Vor dem Auftritt im Livestream: die Geigerin Noa Wildschut im Orchesterhaus beim Südpol.

Patrick Huerlimann

Auch wenn am Wochenende Live-Konzerte mit bis zu 50 Besuchern wieder starteten, bleiben Streamings wichtig für gross besetzte Orchesterkonzerte. So eröffnete das Luzerner Sinfonieorchester seine Restsaison auf beiden Kanälen, beide Male im Orchesterhaus beim Südpol.

Am Sonntag spielte in der Kammermusikmatinee das Vector-Quartett, das seinerseits während des Lockdowns mit einer sinnlich duftenden Einspielung von Borodins zweitem Streichquartett online ging (auf www.youtube.com unter «Vector Quartet»). Am Freitag bot das Orchester unter der Leitung von John Storgard ein Konzert des abgesagten Sibelius-Festivals «Les introuvables» als Livestream – mit der zweiten Sinfonie sowie den sechs Humoresken für Violine und Orchester des finnischen Komponisten.

Episoden eines Violinkonzerts

Man sei in einem zeitlich beschränkten Livestream eher bereit zum Risiko wie in einem Live-Konzert, sagt die Geigerin Noa Wildschut. Ihr Auftritt bestätigte das im Flug, zumal die fünfzig zugelassenen Gäste im Orchesterhaus begeistert applaudierten wie ein normales Publikum.

Unglaublich wendig und mit rasch entflammbarem Ton pointierte die 20-jährige Geigerin die kurzen Stücke zu Episoden eines Violinkonzerts – eine veritable Entdeckung. Sie wirbelte in der ersten Humoreske durch flüchtige Orchesterlandschaften, wechselte von heftigen Doppelgriffattacken in schwereloses Tänzeln, streute in der vierten Zaubertöne in orchestrale Traumwelten. Ein virtuos-folkloristischer Funkenschlag, der satte Ton in schwerblütigen tiefen Lagen und eine Süsse bis hinauf in luftige Flageoletts zeigten: Dieser «Rising Star», als den sie das LSO 2017 präsentierte, ist längst aufgegangen.

Dass das Sibelius-Festival Corona zum Opfer fiel, bedauerte man auch nach der zweiten Sinfonie. Wie Storgard hier vielschichtig zerklüftete Klanglandschaften weit über nordische Melancholie hinaus düster zu Konflikten verdichtete oder zur Raserei beschleunigte, war ein grossorchestrales Meisterstück: Das majestätisch-feierliche Blech, die klirrende Intensität der Geigen, grimmig anspringende Bässe und das mal luftige, mal zu schmerzhafter Intensität gesteigerte Holz liessen nur einen Wunsch offen: den nach dem Klangbad in der Menge, live im Konzertsaal.

Neustart der solidarischen Klänge im Orchesterhaus

Umso erfreulicher ist, das Luzerner Sinfonieorchester diese Woche auch die Reihe der «Solidarischen Klänge» aus dem Orchesterhaus wieder eröffnet. Bereits ausverkauft ist das Rezital des Klavierduos Soos-Haag vom Mittwoch, 28. April. Tickets gibt es noch für den Pianisten Teo Gheorghiu (1. Mai, 19.30) und das Duo von Gunta Abele, Violoncello, und Reto Reichenbach, Klavier (12. Mai).

Infos zu den Solidarischen Klängen aus dem Orchesterhaus: www.sinfonieorchester.ch