Luzern erhält mit B74 einen neuen Kunstraum, ausgerechnet an der Baselstrasse. Die erste Ausstellung steht im Zeichen der Schönheit. Was die neue Location perfekt in die Nachbarschaft integriert.
Es ist wie so oft im Kunstgeschäft. Die Räumlichkeiten an der Kellerstrasse 25 in Luzern waren plötzlich nicht mehr sicher, der Block sollte einer Sanierung weichen. Die zehnköpfige Künstlergruppe rund um die Kellerstrasse war sich aber einig: Sie machen weiter. «Jeder streckte in seinen Kreisen die Fühler aus», fasst Charles Moser, einer der drei Kuratoren der kommenden Ausstellung «Home of Beauty», die Rettungsaktion zusammen.
Fündig wurde das Künstlerteam an der Baselstrasse. Nicht zwingend ein Ort, an dem man auf den ersten Blick einen Kunstraum verorten würde. Was aber manchem Stadtluzerner ein Dorn im Auge sein mag, kann für die Kunst sehr befruchtend sein.
Im Raum selber hat nicht schon von vornherein Ästhetik gewaltet. Nach einer aufwendigen Schönheitsoperation darf er sich aber stolz der Öffentlichkeit zeigen. «Wir haben hier Potenzial gesehen», sagt Claudia Walther. Auch sie gehört neben Stella Pfeiffer und Charles Moser zum Kuratorenteam für die aktuelle Ausstellung. Dieses wird für jede Ausstellung neu zusammengesetzt.
Die letzten Tage war die ganze zehnköpfige Truppe fleissig am Renovieren, damit die Ausstellung pünktlich beginnt. Dank des «Faceliftings» fügt sich der vermeintliche Fremdkörper Kunstraum auch thematisch problemlos in die Nachbarschaft ein – ist doch die Baselstrasse auch geprägt von Schönheitssalons und Haarverlängerungsangeboten.
Auch der aktuelle Ausstellungstitel «Home of Beauty» wurde von einem solchen übernommen, wie Charles Moser erzählt: «Bei unserer Suche nach Räumen haben wir uns auch ein Nagelstudio angesehen, das zur Vermietung ausgeschrieben war. Für den Raum haben wir uns zwar nicht entschieden, wohl aber den Namen übernommen.» Ob der Besitzer weiss, dass sein Lokal für eine Kunstausstellung Pate stand? Es ging jedenfalls ähnlich zu wie bei einer Nagelbehandlung, wenn man Claudia Walther zuhört: «Wir haben die Böden abgeschliffen, die Wände aufgezogen und schliesslich noch alles gestrichen.»
An der Baselstrasse gab es kunstmässig bisher zwar Zwischennutzungen, aber nichts Beständiges. Das möchten die «B74er» ändern. «Um Arbeiten zeigen zu können, die keine kommerziellen Absichten haben, dafür gibt es kaum Möglichkeiten», sagt Claudia Walther. «Junge Künstler und Künstlerinnen brauchen aber einen Ort, an dem sie ihre künstlerische Praxis einüben können», ergänzt Charles Moser, ehemaliger Kunstdozent. Auch der Vermieter war froh über die Neumieter und meinte: «Ich bin froh, dass nicht noch eine Kebab-Bude aufmacht.»
Die Lage bietet laut der Gruppe viele Chancen und ermöglicht einen anderen Blick auf das Luzern, abseits der Tourismuswelt. Ganz nach dem Prinzip «Tue Gutes und sprich davon» möchte die Gruppe sich einen Platz in der Luzerner Kulturszene sichern. Dabei setzen sie auf flache Hierarchien. Eigentlich haben sie schon alle zugeteilte «Ämtli» – vor der Ausstellungseröffnung läuft aber alles etwas anders: «Kaffee machen, Excel-Tabellen ausfüllen, Wände streichen – es braucht Verleger, Verkäufer, Pinsler und Werbeleute. Jeder bringt sich dort ein, wo er kann», fasst Claudia Walther zusammen.
Drei Generationen umfasst die Truppe – von Anfangsdreissigern bis Pensionierten. Der Generationenmix ermöglicht laut Moser eine spezielle Sicht auf die Kunst: «Oldies, mittlere Alter und Youngsters treffen aufeinander – befruchtend und sehr lehrreich.»
Dieser Symbiose spielt auch das aktuelle Ausstellungsthema in die Hände: Was ist Schönheit für dich ganz persönlich? Dieser Frage sind die Kunstschaffenden individuell nachgegangen und haben sich nach Ende der Schaffensphasen gegenseitig ihre Werke präsentiert. Herausgekommen ist ein Konglomerat aus Malerei, Zeichnung, Lyrik, Objektkunst, Installationen und Fotografie, wobei die individuellen Zugänge stark sichtbar bleiben. Claudia Walther setzt sich in ihrer Arbeit «Das Reich der Sinne» mit den fünf Sinnen auseinander und mit Hilfe montierter Radarantennen lässt sie sogleich den sechsten Sinn suchen – die Intuition, mit der sich womöglich alle anderen Sinne erschliessen lassen.
Aber auch Schönheitsmakel haben in der Ausstellung ihren Platz: So wie in den Bleistiftzeichnungen von Christian Frehner, in denen er sich akribisch Phänomenen wie der Nasenspalte und gutartigen Geschwulsten nähert.
«Home of Beauty», bis 13. Oktober. B74 Raum für Kunst, Baselstrasse 74, Luzern. Vernissage: Donnerstag, 27. September, 19 Uhr.