Gotthard Klassik-Festival
Neues Klassikfestival in Horw: Topniveau und überzeugende Akustik im Turnsaal

Was passiert, wenn die Solistin und das Orchester gegensätzliche Ideen haben? Ein spannendes Konzert in Horw gibt Antworten.

Roman Kühne
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Auch optisch eindrucksvoll: Eröffnungskonzert des Gotthard Klassik-Festivals Horw mit Claire Huangci am Flügel.

Auch optisch eindrucksvoll: Eröffnungskonzert des Gotthard Klassik-Festivals Horw mit Claire Huangci am Flügel.

Bilder: Peter Fischli (28. Januar 2022)

Das Konzert der Festival Strings Lucerne und ihres Gaststars Claire Huangci bot auf mehreren Ebenen Spannendes. Zum einen ist es der Eröffnungsabend des neuen Gotthard Klassik-Festival Horw. Dafür wurde die Horwerhalle in einen Konzertsaal verwandelt. Ein akustischer Teppich, eine Bühne, die sorgfältige Ausleuchtung und Spots auf die Seitenwände vertreiben den Sportplatz-Groove.

Auch die Akustik überzeugt. Stillste Stellen finden genauso das Ohr wie ideenreiche Abstufungen. Forte-Stellen entfalten sich ohne Klangverzerrung. Spannend ist die lange Resonanz über die andere, abgetrennte Hallenhälfte. Sekunden, die das Konzerthausgefühl vervollständigen. Im kleinen Rahmen fühlt man sich an die Maag-Halle in Zürich erinnert, wo das Tonhalle-Orchester Zürich in den letzten Jahre unter tollen akustischen Bedingungen konzertierte.

Lebendig bis in die letzte Nische

Spannend sind aber auch die Darbietungen. Der Abend packt vor allem bei der vierten Sinfonie von Beethoven. Die Festival Strings Lucerne sprühen vor Spiellust. Ohne Dirigent, geleitet von Daniel Dodds vom ersten Pult aus, gehen sie ganz in der Musik auf und musizieren mit vollem Risiko. Risiken, die sie sich problemlos leisten können. In unaufgeregtem Fluss schwebt das Adagio. Lebensfreudig, mit leiseste Stellen, unforciert und innerlich. Die Celli malen wie aus einem Instrument. Die Bläser reizen die Stille in ihren Extremen aus, zeichnen verblüffende Farben nach. Spannung und Ehrfurcht, Intimität und Zug nach vorne gehen Hand in Hand. Der Schlusssatz kommt als preschender Sturm. Trotz des rasenden Tempos bleibt er lebendig und hochspannend bis in die letzte Nische.

Claire Huangci.

Claire Huangci.

Trotz Differenzen finden sich Solistin und Orchester

Das dritte Neue ist der Auftritt der Pianistin Claire Huangci in Beethovens Klavierkonzert Nr. 3, respektive ihr Zusammenspiel mit den Festival Strings. Ähnlich sind sie sich in der Klarheit ihrer Tongestaltung. Claire Huangci spielt selbst in höchster Virtuosität deutlich und locker fliessend, zeigt eine weite Palette mit vielen Gefühlen und Abschattungen. Aber: Die Festival Strings pflegen einen herausfordernden, oft auch strengen Beethoven mit klaren Tempi. Claire Huangci gibt sich hingegen vollständig der Romantik hin. Ihr Beethoven drosselt und eilt. Aufstiege werden auf die Höhepunkte hin abgebremst. Kurze Pausen heben die letzte Note hervor. Oft neckisch, mit farbigen Trillern und Vorschlägen, nimmt sie ihrem Beethoven die Strenge. Duftend ist der Dialoge mit den tiefen Streichern. Viel Pedal macht aus der Kadenz ein buntes Aquarium. Claire Huangcis Interpretation ist viel Rosenduft und wenig Scholle. Dass sich die beiden Parteien doch noch finden, ist dem Gespür der Strings zu verdanken. Aber auch das kann Beethoven sein. Ihre Zugabe, eine blumige Improvisation über George Gershwin Jazzstandard «Embraceable You», fügt sich stilistisch nahtlos an diesen Beethoven an.

Der Auftakt der neuen Konzertserie in Horw ist geglückt. Noch war der Publikumsaufmarsch mässig, wohl auch wegen Corona. Vor allem aber muss man erst zur Kenntnis nehmen, dass es mit der Horwerhalle einen neuen ausgezeichneten Konzertsaal gibt.

Gotthard Klassik-Festival Horw: Nächstes Konzert: Karin Bachner & the Pocket Big Band: Abend zu Elle Fitzgerald. Freitag, 18. März, 19.30 Uhr Horwerhalle; www.swisschamber-musiccircle.ch