Emmanuel Pahud und drei weitere Musiker der Berliner Philharmoniker bringen zusammen mit Pianist José Gallardo erlesene Kammermusik auf den Berg. Sie begeistern mit hinreissenden Interpretationen auf Spitzenniveau.
Herzlich wird man im Hotel Villa Honegg begrüsst, wenn man zu einem der Konzerte des Bürgenstock-Festivals kommt. Das ist einer der Unterschiede zwischen Kammermusik in grossen Sälen oder in kleinem Rahmen. Man ist nahe bei den Künstlern wie an den berühmten Schubertiaden.
Die drei Herbstkonzerte an diesem Wochenende, nahtlos den Festivals auf dem Pilatus und in Engelberg folgend, sind fast ausverkauft. Die herausragenden Musiker um den Pianisten und künstlerischen Leiter José Gallardo finden sich als Quartett oder Duo zusammen, und man erlebt unvergessliche Höhenflüge.
Nach dem Apéro, bei dem man mit anderen Besuchern ins Gespräch kommt, erlebt man am Samstagabend im Saal der Villa Honegg ein «philharmonisches Gipfeltreffen». Denn der Schweizer Emmanuel Pahud, Soloflötist der Berliner Philharmoniker, musiziert mit drei Orchesterkollegen. Sie spielen hinreissend. Da wird Rossinis Quartett, das er ursprünglich als Knabe für 2 Violinen, Cello und Kontrabass geschrieben hat, in der Fassung für Flöte, Violine, Viola und Cello zu einer kongenialen Demonstration schillernder Klangfarben.
Rossini bezeichnete diese selbst arrangierte Fassung als «Alterssünde», wie Pahud erzählt. Überhaupt lebt dieser Abend von der Nähe zu den Musikern, von der beschwingten Spielweise, in der man in jedem Moment die unbändige Freude am gemeinsamen Musizieren spürt, sieht und hört.
Cellist Stephan Koncz verbindet in den Variationen über «Bei Männern, welche Liebe fühlen» von Beethoven (über die Arie aus Mozarts Zauberflöte) spielerische Leichtigkeit, variable Tongebung und klare Mimik. In José Gallardo hat er einen Begleiter, der jede Nuance aufnimmt und mit feinfühligem Anschlag zu jeder Variation neue Farben malt.
Gallardo ist auch in Einleitung und Variationen über «Trockne Blumen» aus «Die schöne Müllerin» für Flöte und Klavier von Franz Schubert der ideale Partner. Der differenzierte und ausdrucksvolle Ton von Pahud verbindet sich mit poetisch-dramatischem Klavierspiel vollendet zu Schuberts Klangsprache. Was die beiden da zaubern, ist ergreifend und beglückend. Gallardo spielt die wahnwitzigen Oktavgänge der zweiten Variation mühelos im Fortissimo wie im Pianissimo. Die atemberaubende Virtuosität steht aber nie im Vordergrund, vielmehr erfassen die beiden packend die zerrissene Stimmung Schuberts von verzweifelter Heiterkeit bis in tiefe Depression.
Mit Maja Avramovic, Violine, und Joaquin Riquelme, Viola, gestalten Pahud und Koncz Mozarts Flötenquartett D-Dur durchsichtig und feinfühlig. Im Adagio schwebt die Flötenmelodie über dem Pizzicato der Streicher, bevor sich das Rondo überschäumend Bahn bricht. «Haben Sie noch Lust?», fragt Emmanuel Pahud am Ende die Zuhörer, die aufjubeln. «Wir auch!», heisst es darauf. Und die Musiker versprühen ihr Feuer im Finale aus Dvoráks Amerikanischem Quartett in der Bearbeitung für Flöte und Streicher (Stephan Koncz). Wie anders klingt da das bekannte Quartett, und wenn es so gespielt wird, möchte man mehr davon hören.
Nachdem der Applaus endlich verebbt, trifft man sich zum Abendessen mit Künstlern und Besuchern. Und erfährt, dass es ganz anders ist, auf der Höhe zu spielen. Pahud schildert, dass die Streicher mehr Druck brauchen und er selbst die Luft anders einteilen muss. Auf einer Höhe von 3000 Metern bei einer Orchesterreise habe er schon nach einigen Sekunden keine Luft mehr gehabt. Auf dem Bürgenstock scheint sie endlos zu reichen.