Mit Richard David Precht war ein grosser Name der deutschsprachigen Philosophie zu Gast in der Zentralschweiz. Bei seinem Vortrag sprach der 56-Jährige über die Wissenschaft als Orientierungshilfe für unsere modernen Gesellschaften.
Prominenter Besuch war angekündigt bei der ersten Ausgabe der «Presidential Lecture», einer neuen Vortragsreihe der Universität Luzern. Der deutsche Philosoph Richard David Precht sprach am Donnerstagabend im Hörsaal 1 vor ausverkauften Rängen über die Bedeutung der Wissenschaft als «Orientierungshilfe für die globalisierte Gesellschaft».
Precht, der nicht nur als Honorarprofessor arbeitet, sondern auch eine eigene TV-Sendung hat und sich oft in den öffentlichen Diskurs einschaltet, ist das populärste Gesicht der Philosophie im deutschsprachigen Raum. Moderatorin und Ex-Tagesschau-Frontfrau Katja Stauber nannte ihn zu Beginn der Veranstaltung auch den «Darling der Medien». Er war damit ein idealer Auftaktgast dieser Reihe, welche eine Plattform des Austausches zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sein soll. Bekannte Gesichter schaden sicher nicht beim Unterfangen, möglichst viele Menschen anzusprechen. Unilu-Rektor Bruno Staffelbach nannte Precht in seiner Begrüssung einen «Brückenbauer zwischen Wissenschaft und Praxis».
Zur Praxis gehört das Vermitteln komplexer Themen und Erkenntnisse aus der Forschung für das breite Publikum. Kaum jemand kann das besser als Precht. Und auch bei seinem Luzerner Gastspiel zeigte sich der 56-Jährige eloquent und pointiert.
Sein Abriss der Wissenschaftsgeschichte war unterhaltsam und hochstehend zugleich. Alles begann mit dem simplen Wunsch des Menschen, sich in seiner Umwelt zu verorten, später gingen die griechischen Philosophen auf die Suche nach dem Urstoff. Danach thematisierte Precht unter anderem die «Vernaturwissenschaftlichung» der Geisteswissenschaften im 20. Jahrhundert und die Rolle der Philosophie in den unterschiedlichsten Epochen.
Der Kernpunkt des Vortrags war aber das Thema der Wissensvermittlung und die Rolle der Wissenschaft in einer Welt, in der die Zahl «privater Metaphysiken stetig steigt», wie Precht mit besonderem Blick auf die Coronapandemie konstatierte (zuletzt kam er jedoch auch selbst in die mediale Kritik im Zusammenhang mit skeptischen Äusserungen zu Impfpflicht und Impfungen für Kinder). Oder anders ausgedrückt: Immer mehr Menschen trauen dem Staat und der Wissenschaft immer weniger und bilden sich ihre eigenen Erklärungskonstrukte. Nicht zuletzt über digitale Kanäle, wodurch «jeder zum Hobbyexperten für alles wird». Dabei könne jede kleinste Ungereimtheit im öffentlichen Wissenschaftsdiskurs diese Skepsis und Tendenz verstärken. Es ist ein beschwerlicher Weg, der uns Precht andeutete, denn er stellte auch fest, dass «wir zu wenig tun für die Wissensvermittlung». Nichtsdestotrotz hat Precht an diesem Abend natürlich eine Lanze für die Wissenschaft gebrochen und den Wert dargelegt, den sie als Orientierungspunkt in schweren Zeiten haben kann und soll.
Wie man diesem Trend der zunehmenden Skepsis entgegenwirken kann, ist eine der ganz grossen Fragen unserer Epoche und ein zentrales Thema, um welches sich später die offene Diskussion drehte. Eine erste Antwort lieferte sogleich Rektor Staffelbach: Es seien eben Anlässe wie dieser, wo sich die Wissenschaft jener Aufgabe annehme. Kein Zweifel: Es braucht mehr davon. Und das wird es geben, zumindest an der Uni Luzern, welche zwei Mal pro Jahr eine solche «Presidential Lecture» veranstalten wird.
Der Vortrag von Richard David Precht wurde aufgezeichnet. Er ist über die Webpage der Universität Luzern und auf Youtube abrufbar.