POP: Die Schweizer Strophenkönigin

Caroline Chevin will mit ihrem neuen Album hoch hinaus, obwohl sie sich selber nicht als «Hitmaschine» bezeichnet.

Stefan Künzli
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Hat ohne Zweifel eine der besten Stimmen dieses Landes: Caroline Chevin aus Weggis. (Bild: PD/Adrian Bretscher)

Hat ohne Zweifel eine der besten Stimmen dieses Landes: Caroline Chevin aus Weggis. (Bild: PD/Adrian Bretscher)

«Die beste Schweizer Sängerin kommt aus Weggis.» Caroline Chevin macht grosse Augen, als wir sie mit der Schlagzeile der «Sonntagszeitung» konfrontieren. Sie freut sich natürlich darüber, die bescheidene Innerschweizerin relativiert aber gleich selber: «Es gibt so viele tolle Sängerinnen in der Schweiz, das erleben wir gerade in ‹The Voice of Switzerland›.»

Doch zu den besten «Voices of Switzerland» gehört Chevin bestimmt. Das wird in ihrem neuen Album «Hey World» deutlich. Für die 38-Jährige war es aber ein langer Weg bis an die Spitze. «Früher schrie ich wie eine Verrückte, um auf meine kräftige Stimme aufmerksam zu machen», sagt sie. Heute weiss sie, dass die feinen Sachen viel schwieriger zu singen sind. Den Mut zum Zerbrechlichen unterscheidet die bessere von der guten Sängerin. Genau das ist heute ihre Stärke: Vor allem in der Strophe kann sie sich auch zurücknehmen, um ihren ganzen Facetten- und Farbenreichtum in ihrer Stimme zu präsentieren. Das kann mal ein dünner Falsett sein, eine gehauchte Linie oder die warmen Klänge ihrer dunklen Altstimme. Caroline Chevin ist die Strophenkönigin der Schweiz.

Abkehr vom Retro-Sound

«Hey World» ist erst ihr drittes Album. Nach dem ruhigen Singer-Songwriter-Debüt «Feel Real» 2008 folgte vor drei Jahren der nationale Durchbruch mit dem souligen Retro-Groove von «Back In The Days». Dafür wurde sie auch mit einem Swiss Music Award ausgezeichnet. Auf «Hey World» ist der erfolgreiche Retro-Stil aber wieder verschwunden und ist einem modernen souligen Pop gewichen. «Der lüpfige 60s-Soul hat nicht mehr zum neuen Song-Material gepasst», sagt Chevin. Ein Grossteil der Songs ist geprägt von der «Schwere des Erlebten», vom Tod ihres Vaters in der bluesigen Ballade «Home», von zerbrochener Liebe in «Love Outta Control», von der Schwierigkeit, loslassen zu können.

«Ich will aufrütteln»

Dazu wendet sich Caroline Chevin vermehrt politischen Themen zu. «Politik fand ich bisher langweilig», sagt sie, «doch langsam komme ich auf den Geschmack.» Mensch, Tier und Natur sind ihre Anliegen, auf die sie im Titelsong «Hey World» anspielt. «Ich will aufrütteln, aber nicht belehren», sagt sie. Das Album ist aber nicht nur schwermütig, ernst und gewichtig. Leichtfüssige Titel wie «Tiptoes» oder das swingende «Your Love, Your Love» lockern das Ganze auf.

Produzent Philipp Schweidler hat es geschafft, dem neuen Material ein homogenes Sound-Gewand zu verpassen, in dem Piano und die markante Gitarre von Jean-Pierre von Dach prägend sind. Die Bläsersätze sind verschwunden, dafür hat Chevin sich Michael Flury, den grossartigen Posaunisten von Sophie Hunger, als Gastsolisten «ausgeliehen».

Ab in die Charts

Mit «Back In The Days» landete Chevin einen Hit, der ihr den Durchbruch erleichtert hatte. Ist «Hey World» der nächste Hit? «Ich bin keine Hitmaschine wie Dieter Bohlen. Einen Hit kann ich nicht planen», sagt sie. Umso mehr hat sie sich gefreut, als der Song diese Woche die Top Ten der Airplay-Charts erreicht hat.

«Hey World» ist ihr erstes Album beim Majorlabel Sony. Logisch, dass sie auf der Erfolgsleiter eine Stufe höher klettern will. Konkrete Erwartungen hat sie nicht. Sie ist aber überzeugt: «Wenn man so viel Herzblut verströmt, kommt der Erfolg von selbst.»

Caroline Chevin, Hey World (Sony)•••••

Chevin: Eine Hörprobe des Albums finden Sie auf www.luzernerzeitung.ch/bonus