Beide sind Zürcherinnen und verfassen Krimis. Jetzt haben Mitra Devi und Petra Ivanov gemeinsam einen geschrieben. Er ist spannend, auch ohne Blutorgien.
Der Einstieg ist reisserisch: Eine Frau findet die Leiche ihrer Schwester, die sich aufgehängt hat. Aber das ist eher untypisch für den Krimi von Mitra Devi und Petra Ivanov, die insgesamt eher leise, subtile Mittel einsetzen.
Protagonistin ist die Psychiaterin Sarah. Sie hat einen Berufskollegen als Ex, einen unzugänglichen Teenager-Sohn zu Hause, eine schwerbehinderte Schwester, die sie jedes Wochenende pflegt, und einen neuen Liebhaber. Zudem behandelt sie einen Patienten, der sich von aller Welt verfolgt fühlt und sich als einsamer Kämpfer sieht. Seine Warnung, auch sie sei in Gefahr, schlägt sie in den Wind.
Dann stürzt sie eine Treppe hinunter und leidet fortan unter Aussetzern und Gedächtnislücken. Und allmählich zieht sich ein Netz von undurchsichtigen Ereignissen um sie zusammen: Ihre Schwester weist Merkmale von häuslicher Gewalt auf. Ihr Sohn scheint in eine üble Sache verwickelt. Ihr Freund weist seltsame Krankheitssymptome auf. Und ihr Ex hält ihr ständig den Fall einer früheren Patientin vor, die sich das Leben nahm. Bei dieser handelt es sich um die Frau der geschilderten Eingangsszene. Ihre Geschichte taucht in regelmässigen Rückblenden als zweiter Handlungsstrang auf. Sarah gerät von allen Seiten unter Druck. Und beginnt, an sich selber zu zweifeln. Dreht sie allmählich durch? Und legt es jemand genau darauf an?
Der Krimi ist handwerklich toll gemacht und kommt zudem fast ohne Blutvergiessen aus. Erfahrene Krimileser ahnen indes bald einmal, in welche Richtung die Auflösung gehen könnte, bei welcher natürlich auch die Nebenhandlung eine Rolle spielt. Die komplexe Konstruktion des Falles bringt es mit sich, dass diese Auflösung zwar schlüssig ist, die Plausibilität in Aspekten jedoch leicht überstrapaziert wird. Vor allem auch bezüglich Motivation und Vorgehen des Strippenziehers, der einen gigantischen Aufwand betreibt. Am Ende kommt es zum klassischen Showdown, der wie der Beginn ein Zugeständnis an Genre-Gewohnheiten ist.
Was nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Denn der Thriller vermag mit seiner originellen Story auch ohne solche Mittel Spannung zu erzeugen und bestens zu unterhalten. Und er bietet im Kontext der sympathischen Heldin, ihrem Umgang mit dem Sohn und der behinderten Schwester sowie mit seiner Sorgfalt bei psychologischen Themen auch menschliche Tiefe.
Arno Renggli
Hinweis
Mitra Devi/Petra Ivanov: Schockfrost. Union, 384 S., Fr. 23.–.