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Kultur
Der in Meggen lebende «Meisterfälscher» Wolfgang Beltracchi sprach vor Kunst- und Designstudenten der Hochschule – Design & Kunst in Emmenbrücke. Sein Auftritt war skurril.
«Die schlechte Nachricht vorweg», sagt der erst 2015 aus deutscher Haft entlassene «Meisterfälscher» Wolfgang Beltracchi, und betrachtet am Rednerpult gelassen eine Hundertschaft von Design- und Kunststudenten, die ihm, dieser schillernden Figur mit Hut und rosa Hemd, am Dienstagabend in der Hochschule – Design und Kunst in Emmenbrücke ihr Ohr leiht. «Ihr habt kein Talent. Die gute Nachricht: Ihr braucht auch keines, um auf dem Kunstmarkt erfolgreich zu sein.»
Beltracchi muss wissen, wie es läuft, auf diesem Kunstmarkt. Der seit letztem Jahr mit seiner Frau Helene in Meggen lebende ehemalige Kunstfälscher ist so etwas wie der Stachel im Gewissen des Kunstbetriebs. Rund 300 Gemälde soll er laut eigenen Angaben während seiner 40-jährigen Fälscherkarriere gemalt haben, unzählige davon hat er mit seiner Frau und weiteren Komplizen über eine erfundene Kunstsammlung in den Kunstmarkt zu Millionensummen eingeschleust.
Experten mit heiliger Meinungshoheit setzte er eine Narrenkappe auf. Angehörige verleitete er zu skurrilen Bekenntnissen – Max Ernsts Witwe soll gesagt haben, eines von Beltracchis Werken sei das schönste, das ihr Mann je gemalt habe. Und mancher Sammler lässt seinen Beltracchi bis heute lieber an der Wand hängen – weil er so schön ist.
Gerade weil Beltracchi die Mechanismen des Markts so intensiv studiert hat, konnte er seine Karriere auf der anderen Seite der Macht nach seiner Haftentlassung nahtlos fortsetzen. Er stellt an der Art Basel aus, bemalt als Marketinggag einen Ford Fiesta, leiht der Schweizer Eiskunstlaufgala Art on Ice seine Bilder als Deko-Sujets und bereitet eine Wanderausstellung mit Gemälden vor, die grosse Künstler hätten malen sollen – hätten sie nur die günstige Gelegenheit ergriffen wie Beltracchi mit seinem Wissensvorsprung als Nachgeborener.
Unter den Bildern ist auch ein Gemälde des Wiener-Moderne-Malergottes Gustav Klimt, der es zeitlebens verpasst hatte, sich selbst zu porträtieren. Von Beltracchi bekam er zum Groll der Österreicher ein wenig schmeichelhaftes Selbstporträt verpasst, das an die vielen nicht anerkannten Kinder des Künstlers erinnert. Auch aus welchem Stoff Kunstskandale gemacht sind, weiss Beltracchi am besten.
Der selbst ernannte Anachronist kritisierte in seinem Vortrag die Kanonversessenheit der Sammler, die immer das Gleiche sehen wollten, erklärte, warum er nicht mit Herzblut malt («das ist für meine Kinder und meine Frau»), rechnete den Studenten vor, warum der Markt keine günstigen Bilder will («eine Galerieausstellung kostet mich 50 000 Franken») und ärgerte sich über die mangelnde Vermittlung des Malhandwerks an Hochschulen.
Als ihm auf die Frage zur Verwendung von Knochenleim kaum ein Student antworten will, ruft er «Sagt, was lernt ihr hier eigentlich?», und erklärt den Boom der Konzeptkunst an einem Beispiel: «Sie wollen einen Akt Ihrer Freundin malen und merken, Sie kriegen das nicht hin. Dann versuchen Sie es halt abstrakt und merken, dass das auch nicht geht. Schliesslich nageln Sie Ihr Konzept an die Wand.»
Mit seiner altmodischen «Früher war alles besser»-Attitüde, die er mit einem fröhlichen Querulantentum paarte, gelang Beltracchi das paradoxe Kunststück, den Geniebegriff abzulehnen («das ist alles harte Arbeit») und dabei dennoch ganz Genie zu bleiben. Ob er an der Hochschule Luzern seinen Meisterschüler finden wird, den er sucht, bleibt abzuwarten. Vorerst interessiert Beltracchi sich für Engel – und die Inquisition.