Dieser Abend ist ein pures Vergnügen. Die Schweizer Erstaufführung von «Sister Act» im Le Théâtre Emmen begeistert mit Witz, Emotionen und einem grossartigen Cast. Mit einer ganz besonderen Akteurin an der Spitze.
Jede Nonne eine Wonne! Die Aussage von Hauptfigur Deloris bringt die Aufführung genau auf den Punkt. Es ist ein Samstagabend ohne flaue Momente. Zweieinhalb Stunden mit Schwung, Witz und Emotionen begeistern von Anfang bis Ende.
Als sich für die Pause der Vorhang senkt, wähnt man sich schon fast im enthusiastischen Schlussapplaus. Diese Premiere ist etwas vom Besten, was das Le Théâtre unter der Leitung von Sonja Greber und Andréas Härry bisher auf die Bühne gebracht hat. Und wenn der Ticketverkauf so weiterläuft, wird es bald auch die erfolgreichste Produktion sein.
Klar, das Setting mit tanzenden und singenden Nonnen ist schon an sich ein Garant für komische und emotionelle Momente. Und fast unfair ist es, einen Vergleich zu früher zu ziehen. Noch vor zwei Jahren zwängten sich weltbekannte Musicals wie «Evita», «Hair» oder «Flashdance» auf die schmalen Bretter, als das Le Théâtre noch in Kriens beheimatet war. Jetzt im Gersag Emmen steht ein Mehrfaches an Platz zur Verfügung, ist die Bühne so hoch, dass auch die Vertikale oft genutzt werden kann.
Doch wird die grosse Plattform nur dezent erschlossen, erschlägt die Inszenierung nicht mit bombastischer Augenwischerei. Eine riesige LED-Wand im Hintergrund schafft Ambiente und Spielrahmen. Zwar setzt die Regie von Silvio Wey auf viele Farben und kirchlich opulente Bilder. Mit dem üppigen Abendmahl von Leonardo da Vinci wird ein witziger Bezug zur kargen Kost der Nonnen geschaffen. Oder der Bar mit raffinierten Fotos und Farbspielereien Ambiente eingehaucht. Dies im Gegensatz zum letzten Jahr, als Silvio Wey bei, Musical «95 – Ninety-Five» fast schon minimalistisch mit weissen Würfeln zu Werke ging. Doch die ruhigen Projektionen, die beweglichen Säulen, welche die Nonnen auf ihrem Weg durchs Kloster begleiten, schieben sich nie in den Vordergrund. Diese dezente Arbeit macht «Sister Act» nicht zu einem Regie-, sondern zu einem eigentlichen Spieltheater. Und öffnet den Weg für die vibrierende Truppe der Darstellerinnen und Darsteller.
Allen voran die schwarze Hauptdarstellerin Sidonie Smith. Mit Leuchtkraft, grossem Spiel und lodernder Bühnenpräsenz ist sie die perfekte Besetzung dieser Rolle. Ein Genuss etwa ist ihr erster Auftritt, wo sie mit Armen und Fingern die Musik raumgreifend in Szene setzt. Wogendes Haar, grossartige Mimik, intensiver und geschmeidiger Gesang – eine Frau geboren fürs Rampenlicht.
In der Mutter Oberin, gespielt von Irène Straub, findet sie den würdigen Gegenpol. Sie interpretiert die Rolle der mit sich ringenden Klostervorsteherin überzeugend und mit Witz. Herrlich ist auch das Ganovenquartett. Aris Sas, der bereits in «Hair» (2011) eine Hauptrolle spielte, füllt selbst die arrogante Deppenrolle mit Charme. Seine Gehilfen sorgen für viele Lacher. Allen voran der bärenhafte, aber unglaublich bewegliche Dirk Hinzberg. Ein Hingucker, wie er seinem Liebeswerben Form und Fülle gibt! Ein Moment, wo es das Publikum kaum mehr auf den Sitzen hält. Der Polizist «Schwitze-Fritze» zeichnet treffend den Spagat zwischen unsicherem Dienstmann und erträumter Heldenfigur.
Der nicht so heimliche Star des Abends ist natürlich der Nonnenchor. Zur attraktiven Choreografie von Adriano Piccione und den Dancemooves der Zugerin Maja Luthinger rocken die zwölf Frauen in ihren Nonnengewändern über die Bühne, kreisen ihre Hüften und rollen die Köpfe. Hier hätte es viel billiges Klamauk-Potenzial. Doch zum Glück wird dieses kaum eingesetzt. Die sensible Mary Robert (Samantha Senn), die rappende Alte Mary Lazarus (Claudia Kopfstein) und vor allem die überbordende Mary Patrick (Daniela Tweesmann) geben der Schwesterntruppe Gesicht und Charakter.
Die Musik wurde erneut von Arno Renggli arrangiert. Unter seiner Leitung entwickeln die vier Musiker eine direkte, knackigere Lesart der Ohrwürmer und Tanzrhythmen. Einzig im zweiten Teil ist für einen Moment die Abmischung nicht optimal, steigt der Lautstärkenpegel etwas an, so dass die Gesangsnuancen nicht mehr ganz so trefflich strahlen.
Zum Schluss gibt es Emotionen pur. Der Applaus ist gross, und selbst die Hauptdarstellerin Sidonie Smith, die sich mit dieser Produktion für den Moment von der Musicalbühne zurückzieht, kann sich die Tränen nicht verkneifen.
«Sister Act». Bis 27. Januar 2019. www.le-theatre.ch, 041-348 05 05.