Spannung
Der «Klub der jungen Dichter» sucht spannende Storys – wir haben die besten Tipps dazu

«Spannung» lautet das Thema des diesjährigen «Klubs der jungen Dichter»: Wir geben ein paar Tipps dazu.

Arno Renggli
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Eine tolle Geschichte schafft es, die Leserin oder den Leser in atemlose Spannung zu versetzen.

Eine tolle Geschichte schafft es, die Leserin oder den Leser in atemlose Spannung zu versetzen.

Bild: Getty

Da ich für unsere Zeitung auch neue Krimis und Thriller besprechen darf, habe ich in den letzten Jahren Hunderte davon gelesen. Immer wieder fallen bestimmte Techniken auf, dank denen es den Autorinnen und Autoren gelingt, Spannung zu erzeugen. Welche von Ihnen könnten auch in Kurzgeschichten funktionieren? Dazu einige Tipps:

1. Die Frage, deren Antwort man erfahren möchte

Der Klassiker unter solchen Fragen ist: «Wer ist der Täter». Agatha Christie, berühmteste Krimiautorin der Welt, hat fast immer so gearbeitet: Es gibt einen Mord in einer Örtlichkeit, die eine überschaubare Anzahl von Verdächtigen ermöglicht. Der Detektiv wie Hercule Poirot oder Miss Marple findet dann den Täter heraus. Und auch, wie dieser die Tat verübt hat. Diese Anlage ist aber für eine Kurzgeschichte nicht einfach, weil man wenig Raum hat, um viele Figuren zu entwickeln. Wir sind gespannt, ob es dem einen oder anderen jungen Dichter trotzdem gelingt.

Aber auch andere Fragen können Spannung erzeugen. Viele Thriller starten mit einem spektakulären dramatischen Ereignis, lassen aber offen, was genau passiert ist. Oder warum es passiert ist. Das will man als Leser erfahren. Und schon ist man gespannt.

2. Emotionale Verbindung zu den Figuren

Wenn man sich gut in eine oder mehrere Figuren hinein versetzen kann, will man erfahren, was mit ihr passiert. Das macht eine Geschichte spannend. Am besten eignet sich die Hauptfigur. Nehmen wir etwa an, es handelt sich um einen Vater, der seine verschwundene Tochter sucht. Es ist leicht zu verstehen, wie verzweifelt er ist und was ihn antreibt. Sofort kann man sich mit ihm identifizieren und entwickelt Sympathie für ihn. Gefühle fördern die Spannung – es können sogar negative Gefühle sein. Wenn man zum Beispiel eine Hauptfigur total widerlich findet, wird man genauso gespannt lesen, wie wenn man mit der Figur mitfiebert. Aber es ist eher einfacher, eine positive Hauptfigur zu zeigen. Diese kann natürlich auch ein junger Mensch sein, der in einer berührenden Situation ist, zum Beispiel Angst hat oder bei dem etwas auf dem Spiel steht, was ihm wichtig ist.

3. Tempo, vielleicht im Wechsel mit Verzögerung

Tempo ist ebenfalls ein klassisches Mittel für Spannung, wenn also in kurzer Zeit bzw. auf wenigen Textzeilen viel passiert. Man spricht in diesem Kontext gerne von Action. Der Leser verfolgt atemlos das Geschehen, sein Adrenalin steigt. Auch das Gegenteil funktioniert: die Verlangsamung. Kombination von Tempo und Verlangsamung ist die ganz grosse Kunst. Auch berühmte Filmregisseure wie Alfred Hitchcock sind Meister in solchem Timing. Der Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung ist ebenfalls ein Mittel. Etwa: Eine knarrende Tür geht langsam auf, der Zuschauer bibbert – dann spaziert die Katze durch die Tür. Erleichtertes Auflachen, bis man merkt, dass der Killer hinter dem Sofa hervorkommt. Gerade Überraschungseffekte funktionieren am besten, wenn sich der Leser vorher kurz entspannen durfte ...

4. Humor kann Spannung verstärken

Apropos Auflachen: Humor und Spannung können sich gut ergänzen. Denn gerade auch Humor trägt zum Wechselbad zwischen Anspannung und Entspannung bei. Es ist kein Zufall, dass die härtesten Thriller- und Horrorgeschichten in Filmen oder Büchern oft viel Humor und zahlreiche Gags enthalten. Auch weil das dem Zuschauer oder Leser hilft, das Geschehen im Bewusstsein sicherer Distanz zu verfolgen.

5. Der Schluss muss sitzen

Man kann von Anfang an soviel Spannung erzeugen, wie man will: Wenn die Auflösung der Geschichte nicht gut ist, wird der Leser enttäuscht sein. Sogar professionelle Autoren schaffen es nicht immer, ihrer kunstvoll konstruierten Story dann auch mit einem starken, vielleicht überraschenden, aber trotzdem logischen Schluss gerecht zu werden. Zwar kann ein Ende mal ganz gezielt die Lesererwartungen enttäuschen, ins Leere führen oder eine Wendung ins Absurde nehmen. Aber das muss sehr gut gemacht sein, damit der Leser das dann zu schätzen weiss. So oder so: Den Schluss muss man sich gut überlegen und am besten schon von Anfang an wissen, worauf die Geschichte hinauslaufen soll.

Der Einsendeschluss für den «Klub der jungen Dichter» zum Thema Spannung ist der 22. Oktober. Alles Infos findest du unter: www.luzernerzeitung.ch/dichter

Hast du schon selber Erfahrungen gemacht, welche Mittel und Tricks Spannung erzeugen? Dann schreib uns unter kultur@luzernerzeitung.ch.

Und das sagt Krimiautor Carlo Meier dazu

Der Zuger Jugendkrimiautor Carlo Meier, Jurypräsident des «Klubs der jungen Dichter», ist selber ein Spannungsspezialist. Dies hat er etwa mit seiner Reihe um die «Kaminski-Kids» oder mit der «Paradise-Valley»-Reihe bewiesen. Er äussert sich hier zu den obigen fünf Tipps wie folgt: 1. Rätsel sind ein Motor für die Story, weil man die Lösung wissen will: Möglichst bald in der Story ein grosses Rätsel eröffnen, dann konsequent die Antwort darauf verfolgen (nicht zu stark abschweifen, immer am «Knochen» dranbleiben), und erst am Schluss die Lösung bringen. Für eine Kurzgeschichte genügt ein einziges Rätsel, bei längeren Storys können während der Aufklärung des Haupträtsels auch immer wieder kleinere Rätsel dazukommen, die laufend innerhalb des grossen Erzählbogens aufgelöst werden dürfen.2. Am besten funktioniert es in Kurzstorys, wenn sich die Autorin bzw. Autor gut in die Hauptfigur hineinfühlen kann und die Story aus deren Perspektive erzählt. Von daher eignet sich eine jugendliche Hauptfigur besonders gut.3. Tempowechsel sind in Kurzgeschichten zwar schwierig, weil für die Gesamtstory wenig Raum ist. Aber zwischendrin mal kurz die Handbremse anziehen und eine kleine Szene in Zeitlupe laufenlassen, kann sicher ganz reizvoll sein. Übrigens: Hitchcock war kein Freund von Überraschungen. Er fand es viel spannender, wenn unter dem Tisch eine Zeitbombe tickt, die Zuschauer wissen es, aber die Figuren am Tisch sind ahnungslos und man möchte ihnen zurufen: Schnell weg, so lange ihr noch könnt! Gegenüber dieser Spannung kann eine explodierende Überraschung nicht mithalten.4. Eine «Achterbahn» erzeugt die stärkste Spannung: Zuerst die Spannung hochfahren, dann eine Erholungs-Talfahrt (in der auch Humor möglich ist, damit der Leser mal richtig durchatmen und sich entspannen kann). Wenn die Spannung dann wieder hochfährt, wirkt sie umso stärker. Wichtig: Spannung und Humor nicht im gleichen Schwung vermischen – sonst ist die spannende Szene weniger spannend und der Humor weniger lustig.5. Die Spannungsspitzen müssen im Verlauf der Story immer stärker werden und im Showdown am Schluss gipfeln. Sonst verliert die Leserin mit der Zeit das Interesse, weil die Story nicht spannender, sondern weniger spannend wird, und ist am Ende enttäuscht.
Der Zuger Jugendkrimiautor Carlo Meier, Jurypräsident des «Klubs der jungen Dichter», ist selber ein Spannungsspezialist. Dies hat er etwa mit seiner Reihe um die «Kaminski-Kids» oder mit der «Paradise-Valley»-Reihe bewiesen. Er äussert sich hier zu den obigen fünf Tipps wie folgt: 1. Rätsel sind ein Motor für die Story, weil man die Lösung wissen will: Möglichst bald in der Story ein grosses Rätsel eröffnen, dann konsequent die Antwort darauf verfolgen (nicht zu stark abschweifen, immer am «Knochen» dranbleiben), und erst am Schluss die Lösung bringen. Für eine Kurzgeschichte genügt ein einziges Rätsel, bei längeren Storys können während der Aufklärung des Haupträtsels auch immer wieder kleinere Rätsel dazukommen, die laufend innerhalb des grossen Erzählbogens aufgelöst werden dürfen.2. Am besten funktioniert es in Kurzstorys, wenn sich die Autorin bzw. Autor gut in die Hauptfigur hineinfühlen kann und die Story aus deren Perspektive erzählt. Von daher eignet sich eine jugendliche Hauptfigur besonders gut.3. Tempowechsel sind in Kurzgeschichten zwar schwierig, weil für die Gesamtstory wenig Raum ist. Aber zwischendrin mal kurz die Handbremse anziehen und eine kleine Szene in Zeitlupe laufenlassen, kann sicher ganz reizvoll sein. Übrigens: Hitchcock war kein Freund von Überraschungen. Er fand es viel spannender, wenn unter dem Tisch eine Zeitbombe tickt, die Zuschauer wissen es, aber die Figuren am Tisch sind ahnungslos und man möchte ihnen zurufen: Schnell weg, so lange ihr noch könnt! Gegenüber dieser Spannung kann eine explodierende Überraschung nicht mithalten.4. Eine «Achterbahn» erzeugt die stärkste Spannung: Zuerst die Spannung hochfahren, dann eine Erholungs-Talfahrt (in der auch Humor möglich ist, damit der Leser mal richtig durchatmen und sich entspannen kann). Wenn die Spannung dann wieder hochfährt, wirkt sie umso stärker. Wichtig: Spannung und Humor nicht im gleichen Schwung vermischen – sonst ist die spannende Szene weniger spannend und der Humor weniger lustig.5. Die Spannungsspitzen müssen im Verlauf der Story immer stärker werden und im Showdown am Schluss gipfeln. Sonst verliert die Leserin mit der Zeit das Interesse, weil die Story nicht spannender, sondern weniger spannend wird, und ist am Ende enttäuscht.