Das Stadttheater Sursee hat sich eine weniger bekannte Wiener Operette ausgesucht. «Boccaccio» ist fast eine Opera buffa.
Zwar werden in Abständen im Stadttheater Sursee auch Musicals aufgeführt, aber in der Mehrzahl sind es doch wie in Arth und in Entlebuch Operetten, die alljährlich über die kleine, intime Bühne des Stadttheaters auf der Luzerner Landschaft gehen. Wie schon 2003 fiel auch diesmal die Wahl auf «Boccaccio» von Franz von Suppé. Und damit auf ein Meisterwerk, das vielleicht nicht den Bekanntheitsgrad anderer Wiener Operetten aufweist, aber auch meilenweit entfernt ist von dem Plüsch, den man gerne der Gattung nachsagt. Dafür sorgt schon das Libretto von Friedrich Zell und Richard Genée, die in der berühmten mittelalterlichen Novellensammlung «Il Decamerone» des Dichters Giovanni Boccaccio (1313–1375) fündig wurden. Darin stehen lebenslustige florentinische Frauen im Mittelpunkt, die, angestachelt durch die freizügigen Novellen Boccaccios und sein amouröses Treiben, die Stadt am Arno in helle Aufruhr versetzen.
Die Librettisten hatten den glücklichen Einfall, den Dichter selbst in die Handlung einzuspannen. Dessen Liebe zu einem unbekannten jungen Mädchen, der schönen Florentinerin Fiametta, bildet den roten Faden, um den sich all die turbulenten Ereignisse drehen. Entfacht werden sie von den drei biederen Ehemännern – dem Barbier Scalza, dem Fassbinder Lotteringhi und dem Gewürzkrämer Lambertucci –, die gegen den verruchten Boccaccio und seine neuesten erotischen Dichtungen wettern. Doch sie werden von Boccaccio und den liebeshungrigen Frauen noch und noch an der Nase herumgeführt. Das führt zu Verwechslungen und Verkleidungen am laufenden Band und nimmt die Beschwingtheit und den komödiantischen Geist einer Commedia dell’Arte an. Und dies in einer italienischen Stadt mit eigenem, unverwechselbarem Tonfall.
Suppé war dieses Milieu von klein auf vertraut, wurde er doch in Spalato (Split) im italienischsprachigen Dalmatien geboren (übrigens im gleichen Jahr wie Jacques Offenbach, 1819, der ihn zweifellos auch beeinflusst hat). Hier wuchs er als Sohn eines ursprünglich belgischen Vaters und einer Wienerin auf. Er lernte Rossini, Donizetti und den jungen Verdi persönlich kennen und zog nach dem Tode des Vaters 1835 mit seiner Mutter nach Wien – also mitten ins Zentrum der goldenen Ära der Wiener Operette. Fünf Jahre nach Johann Strauss’ unsterblicher «Fledermaus» wurde «Boccaccio» 1879 uraufgeführt, neben den Ouvertüren «Leichte Cavallerie» und «Dichter und Bauer» sowie «Die schöne Galathee» sein bekanntestes und bestes Werk – Suppé war damals bereits 60-jährig. Eine schmissige, kunstvoll gebaute Ouvertüre, schlagfertige Couplets und Ensembleszenen von dramatischer Spannkraft zeichnen die Musik aus. Suppé gelang es, die Klangreize des italienischen Belcantos ins Wiener-Walzer- und Marsch-Milieu zu überführen.
Die Titelrolle des ursprünglich als Opera buffa konzipierten Werks schuf der Komponist eigentlich als Hosenrolle für einen Spielalt, doch meistens wird sie von einem Bariton gesungen, so auch in Sursee. Als Nachfolger von Andres Felber studiert Achim Glatz den Chor ein. Die Regie liegt bereits zum fünften Mal in den bewährten Händen von Björn B. Bugiel, der eine eigene Dialogfassung für Sursee herstellte. Isabelle Ruf-Weber, die Direktorin des Stadttheaters Sursee, dirigiert die Premiere und die weiteren Januar-Vorstellungen, während sie sich nachher in der musikalischen Leitung mit Andres Joho abwechseln wird.
Fritz Schaub
Samstag, 13. Januar, 17.00, Premiere
Stadttheater Sursee, 26 Aufführungen bis Ende März. VV: Tel. 041 920 40 20 (nachmittags), www.stadttheater-sursee.ch