Zum ersten Mal wurden die Swiss Music Awards in Luzern verliehen. Es gab viel Schein und Glanz und mit Loco Escrito sogar einen überraschenden Sieger.
«Keine Panik auf der Titanic». Der Weg an den Swiss Music Awards (SMA) über den roten Teppich ins KKL startet auf dem «Diamant». Das Schiff hätte kaum passender ausgewählt werden können – im Dezember 2017 schlug es Leck und drohte zu sinken. Mittlerweile schwimmt es wieder über den Vierwaldstättersee – einer aufwendigen Rettung sei Dank. «Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff» wollen auch die SMAs sagen. Die Musikbranche hat schon lange Leck geschlagen und doch spielt das Orchester tapfer weiter. Mit viel Pomp und Glamour versuchen die SMA zu kaschieren, dass das Schiff bereits Schräglage hat.
Zum ersten Mal machten sie das gestern in Luzern. Nach elf Ausgaben in Zürich ist der wichtigste Musikpreis in die Zentralschweiz gezügelt. Ins KKL und – eben –auf den «Diamant». Von dort machten sich all die Musiker und Promis auf den Weg. Im feinen Tuch bei erfreulich gutem Wetter und bei erfreulich vielen Fans, die den roten Teppich säumten. Geklatscht wurde mit schweizerischer Zurückhaltung, dafür wurden zahlreiche Selfies geknipst und richtig laut wurde es bei der Amerikanerin Billie Eilish.
Ihr Auftritt verlieh der Show dann tatsächlich etwas internationales Flair – auch wenn die SMA mittlerweile glücklicherweise begriffen haben, dass die internationalen Preise bestenfalls eine Nebenrolle haben. Sie werden recht rassig runtergerattert – und Eminem kam erstaunlicherweise nicht extra ins KKL, um seinen Award abzuholen.
Den durchaus begehrten Betonklotz in den Schweizer Kategorien nahmen am Schluss Lo & Leduc (Best Group), Bligg (Best Male und Best Album mit Kombination), Emilie Zoé (Best Act Romandie), Black Sea Dahu (Artist Award), Härz (Best Breaking Act), The Gardener & The Tree (Best Live Act), Sina (Outstanding Achievement Award), Steff la Cheffe (Best Female), Marius Bear (Best Talent) und Loco Escrito (für Best Hit «Adios») nach Hause.
Kurz zusammengefasst könnte man sagen, dass der Abend eigentlich ohne grössere Überraschung verlief. Mit Ausnahme von Black Sea Dahu (der Preis wurde aber durch andere Künstler bestimmt) sind es auch alles recht konsensorientierte Entscheidungen. Massgeblich für die Nominationen sind nackte Verkaufszahlen. Ebenfalls überraschend war der Sieg von Loco Escrito, der Lo & Leducs «079» schlug. Ausschlaggebend war hier ein Publikumsvoting während der Sendung.
Mehr Mut täte dem SMA ganz generell gut. Moderator Stefan Büsser hält es beispielsweise immer noch für witzig, mit heruntergelassenen Hosen (inklusive lustiger Unterhose) zu moderieren. Dazu hat man seine Co-Moderatorin durch eine Stimme aus dem Off ersetzt – das hat irgendwie das Humor-Niveau «Pfadi-Elternabend».
Berühren tut die Award-Show vor allem immer dann, wenn die Freude der Sieger spürbar wird. «Sprachlos. Tränen. Häähhh», fassten etwa Härz auf der Bühne ihre Gefühlslage recht präzise zusammen. Oder Marius Bear, der nett-grummlige Appenzeller. «Ich bin am Zittern wie ein nasser Hund. Wem soll ich nur alles Danke sagen?» Am Schluss kämpfte er fast ein bisschen mit den Tränen. Das hatte fast schon Oscar-Format. Zumindest ein bisschen.
Richtig gut war auch die Dankesrede von Loco Escrito , die so von Herzen gekommen ist, dass der innere Filter auch ein paar Fluchwörter durchrutschen liess. Er arbeite jetzt daran, dass er seiner Mutter ein Haus kaufen könne – wenn sie es nicht selber wolle, könne man die Wohnung dann aber auch einfach vermieten.
Vielleicht ist es bezeichnend, dass der Award die wirklich starken Momente immer dann hat, wenn er das Skript verlässt und es einfach passieren lässt. In ihrer Laudatio auf Sina sagt Ständerätin Pascale Bruderer, dass sie «so echt» sei. Das stimmt. Und eigentlich ist doch genau diese Echtheit der Trumpf von Schweizer Musik – all die derzeit erfolgreichen Schweizer Acts singen beispielsweise auf Mundart. Komischerweise wollen die Swiss Music Awards lieber eine Scheinwelt abbilden. Vielleicht könnte man im nächsten Jahr die Awards auf einem Schiff verleihen. Auf der «Diamant» zum Beispiel.