«Szenenwechsel»: Interaktives Gewebe aus stillen Momenten

Ein stimmiger Abschluss mit dem Improvisationsensemble der Hochschule Luzern: Das Festival hat facettenreich Stille erlebbar gemacht.

Pirmin Bossart
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Die Berliner Pianistin Magda Mayas hat das Improvisationsprojekt erarbeitet und spielte auch selber mit.

Die Berliner Pianistin Magda Mayas hat das Improvisationsprojekt erarbeitet und spielte auch selber mit.

Bild: PD

Ein schönes Bild vor Konzertbeginn: Der ganze Pool-Raum im Neubad ist belegt von Instrumenten, Notenständern und musikalischen Accessoires. Man hört eine imaginäre Musik, als ob sich ein Orchester einstimmen würde. Aber da ist niemand, der spielt. Mit dieser Stille im Kopf lauscht man darauf dem Konzert, dessen feinsinnige Textur in Zonen zwischen Dämmer und Klarheit führt.

Es ist eine sanfte Improvisation, kein exaltiertes Quodlibet, wie es mit elf Musikerinnen und Musikern leicht entstehen könnte. Die Berliner Pianistin Magda Mayas, die neu Improvisation in Luzern unterrichtet, hat das Projekt «Confluence – Thinking Silent Matter» für das Festival mit dem Improvisationsensemble der Hochschule Luzern erarbeitet. Das Ensemble besteht aus Bachelor-Studierenden mit dem Schwerpunkt Improvisation. Sie lernen dort unter anderem, aufeinander zu hören und sich auf Weniges zu konzentrieren, um es ins Maximum zu verwandeln.

«Satelliten»-Fotos musikalisch umgesetzt

Der einstündigen Improvisation liegt eine Bild-Partitur von Magda Mayas zugrunde. Sie zeigte auf einem grossen Blatt gut ein Dutzend «Satelliten»-Fotos von zwei Flüssen, die in unterschiedlicher Struktur nebeneinander fliessen. Die Fotos wirken wie abstrakte Gemälde und unterscheiden sich nur unmerklich voneinander. Das Ensemble spielt nicht «Bild um Bild», sondern lässt sich von der Gesamtanordnung inspirieren. «Diese soll wie eine Erinnerung wirken, möglichst lange beim Material zu bleiben», sagt Mayas, die am präparierten Flügel mitspielt.

In der Praxis heisst das für die Studierenden, sich mit möglichst wenigen Tönen oder knappen Motiven einzugeben und gerade so viel oder so wenig zu spielen, dass Spannung bleibt und die Musik sich entwickelt. Eine anspruchsvolle Aufgabe angesichts von elf Instrumentalisten, die ebenso gut auch aufeinander einprallen oder aneinander vorbeidümpeln könnten. Schnell entsteht ein transparent fluktuierendes Gewebe aus Einzeltönen, Klangmolekülen und subtilen Färbungen.

Der Sound ist in ständiger Balance zwischen Konzentration und Offenheit. Eine organische Minimal-Struktur vibriert, die mit schönen Klangdetails und Konfluenzen einzelner Stimmen aufwartet, aber kaum Einbrüche oder Kontrastmanöver verzeichnet. Die Dynamik spielt sich auf sublimer Ebene ab; dort, wo sich auf der Foto-Partitur die Flüsse berühren und doch sich selber bleiben. Die Intervention von Klara Germanier, die auf der Gitarre eine quere Spur in die Tiefe zog, tat trotzdem gut. Endlich eine Stromschnelle.

Werkschau statt Themenfestival

Das Festivalthema Stille wird mit diesem Ad-hoc-­Ensemble wohl am kreativsten ausgelotet. Für andere Projekte hätte das Thema auch ganz anders heissen können: «Flamenco und Jazz», «Volksmusikabend» oder «Orgel-Vesper»: Mit Stille hatten diese Projekte und auch das Konzert mit dem Luzerner Sinfonieorchester wenig zu tun. Grundsätzlich hat «Szenenwechsel» den Charakter einer Werkschau der Musikhochschule Luzern. Es ist noch kein schlüssiges Themenfestival. Dieses hätte mit dem Schlussabend begonnen können.