1000 Folgen, 2280 Leichen, 89 Einzelermittler und Kommissarenteams. «Tatort», der langlebigste Krimi des deutschsprachigen Raumes ist nicht tot zu kriegen. Am Sonntag läuft der Jubiläums-«Tatort».
«Tatort» schauen ist ein Ritual. Rituale vertragen keine Abweichung. Sie verlangen nach Wiederholung. Am kommenden Sonntag wird der 1000. «Tatort» ausgestrahlt. Durchschnittlich zehn Millionen Menschen werden sich vor den Fernseher setzen, um einem mittelmässigen Unterhaltungsformat einen Sonntagabend ungeteilt ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Heissen wird diese Folge wie die erste vom 29. November 1970: «Taxi nach Leipzig» (siehe Kritik unten).
Den nicht eingeweihten Rosamunde-Pilcher-Fans mag dieses feierliche Zeitopfer für Geschichten, die lediglich unsere biedere «normale» Wirklichkeit abbilden, sektiererisch erscheinen. Ebenso die hysterischen Tweets der 180 000 Follower und die reisserischen Feuilletonkommentare vor und nach der Sendung. Denn im «Tatort» wird die Welt nicht neu erfunden. Die Abbildung der «normalen» Lebenswelt verträgt kein Experiment.
Ein Grund, warum besonders innovative Ausflüge in den Autorenfilm wie der vom Nidwaldner Regisseur Urs Odermatt («Ein Hauch von Hollywood», 1998) von der eher konservativen Fan-Community des Internetportals «tatort-fundus» auf den letzten Ranking-Platz verwiesen wurden (siehe Box). Ein Grund auch, warum das vom «James-Bond»-Vorspann inspirierte Fadenkreuz-Intro mit der Musik von Klaus Doldinger – bei deren Einspielung sass Udo Lindenberg an den Drums – bis heute nicht in Frage gestellt werden darf. Wenn es um den «Tatort» geht, sind die innovativsten Zeitgeister plötzlich konservativ. Dass dieses Intro für seine Anhänger einen pseudo-religiösen Ewigkeitswert besitzt, hat inzwischen auch der in den sozialen Medien anfänglich mit Änderungsvorschlägen herumpolternde Hamburger Kommissar-Darsteller Til Schweiger (Nick Tschiller) verstanden. «Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass dieser Vorspann noch 30 Jahre kommt», krebste er schliesslich ein.
Wer sich den ersten «Tatort» aus dem Jahr 1970 anschaut, sieht seine Illusion von der Feier des Immergleichen allerdings zerstört: Normal ist keine Norm, die länger hält als ein paar Jahre. Die haarsträubenden Frisuren, die Blümchensofas und die riesigen Telefonwählscheiben aus den 1970ern haben nichts mehr mit uns zu tun. Die beleibten alten Herren Kommissare hätte man heute längst ausgemustert und durch junge, sportlich-dynamische Jungkommissare ersetzt, dem Idealtyp der heutigen Arbeitswelt. An schnelle Wortwechsel und Hintergrundberieselung gewöhnt, betäubt die zelebrierte Ereignislosigkeit dieser «Tatorte» unsere Sinne.
«Tatort»-Erfinder Gunther Witte hatte das Format für die ARD als Konkurrenz zum ZDF-Krimi «Der Kommissar» erdacht. Als Gegengewicht zu den amerikanischen und britischen Krimiserien sollte er den Lokalkolorit der bundesdeutschen Regionen nutzen, und Themen aufgreifen, die auf deutschen Strassen liegen. Das macht er bis heute – auch in Österreich und der Schweiz. Ganz nebenbei wurde aus dem Geist des «Tatorts» so der «Polizeiruf 110» geboren – die Antwort der DDR auf diese westliche Medienaggression.
Bis heute gab es 89 Einzelermittler und Kommissarenteams. Konfrontiert wurden sie mit einem Meer aus 2280 Leichen. Der erste «Tatort»-Kommissar kam aus Hamburg und hiess Paul Trimmel. Mit einer Dienstzeit von zwölf Jahren (1970–1982) hielt er sich lang im Ermittlerzirkus. In der Geschichte des «Tatorts» haben 20 Ermittler den ersten Fall nicht überstanden, darunter auch der erste Schweizer Kommissar aus Bern (siehe Box unten).
Im kollektiven Gedächtnis halten konnten sich nur wenige Geschichten: vor allem das amouröse Schüler-Lehrerverhältnis aus «Das Reifezeugnis» (1977) von Hollywood-Regisseur Wolfgang Petersen («Troja»), in dem Klaus Kinskis Tochter Nastassja die Lolita gab. Sowohl für Petersen als auch für Kinski war dieser «Tatort» die Eintrittskarte nach Hollywood. In Erinnerung geblieben auch dank seiner späteren Fernsehkarriere ist «Prügelkommissar» Horst Schimanski (Götz George). Seine «Tatorte» schafften es ins Kino, als Til Schweiger das Schauspielhandwerk gerade zu lernen begann. Schimanski quittierte den Dienst im Jahr 1991, wie er angetreten war: mit seinem Lieblingswort («Scheisse»).
Derzeit kümmern sich 22 Ermittlerteams um die Sicherheit im deutschsprachigen Raum, darunter auch ein reines Frauenteam. Wo die erste Ermittlerin Marianne Buchmüller (1978–1980) für ihre Kollegen noch mütterlich Kaffee kochte, kämpfen weibliche Ermittlerinnen heute nicht mehr um Kompetenzen, sondern wie die Berliner Draufgängerin Nina Rubin mit der Work-Life-Balance.
Die Dienstälteste ist übrigens eine Frau: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ermittelt seit 1989 in Ludwigshafen. Mit 72 gelösten Fällen seit 1991 rangieren die Münchner Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr an der Spitze. Popularität über die Fangemeinde hinaus geniesst das ungleiche Paar aus Münster, Prof. Karl-Friedrich Boerne und Ermittler Frank Thiel.
Bei aller Liebe zur Statistik: Das erste «Tatort»-Opfer haben wir noch nicht mal hinzugezählt. Der Schauspieler Horst Lettenmayer gab zwar nicht Leib und Leben für den «Tatort», für das Intro der Krimi-Reihe aber Augen und Beine. Die Gage für einen Tag im Einsatz: müde 400 D-Mark. Wiederholungshonorare hat er auch nach Klagen auf dem Rechtsweg nie bekommen. Dafür durfte er im Schimanski-«Tatort – Der Pott» mitspielen: als Gewerkschaftsboss.
Julia Stephan
julia.stephan@luzernerzeitung.ch
Filmkritik Gleiche Strecke, aber höheres Tempo. So das Fazit eines Quervergleichs zwischen dem ersten «Tatort – Taxi nach Leipzig» (1970) und seinem Remake.
Als der Hamburger Kommissar Paul Trimmel (Walter Richter) 1970 eine Taxifahrt in die DDR unternimmt, bringt er sich freiwillig in die Gefahrenzone. Klaus Borowski (Axel Milberg) und Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) unternehmen ihren Höllentrip nach Leipzig nicht aus freien Stücken. Nach Besuch eines Polizeiseminars landen sie in einem Taxi. Am Steuer sitzt Ex-Elitesoldat Rainald. Ein Mann mit hochtouriger Psyche. Traumatisiert hat ihn ein Afghanistan-Einsatz. Jetzt will er zu seiner Ex, bevor die seinen Todfeind ehelicht.
Nach Vorbild eines Travis Bickle aus Martin Scorseses Filmklassiker «Taxi Driver» (1976) hat dieser Rainald für die ein- und aussteigende Kundschaft nur Ekel übrig. Dass er bei irgendeiner Demütigung durchdrehen wird wie ein Wagenmotor, das steht fest nach Minute eins. Aber nicht, ob die auf der Rückbank gefesselten Ermittler dem geschulten Militärmann mit den im Seminar erlernten Deeskalationsstrategien beikommen werden.
In hohem Tempo fahren wir auf der Gedankenautobahn von Lindholm, Borowski und Rainald, weshalb man mit dem Täter in eine unheimliche und ambivalente Komplizenschaft gerät. In der Extremsituation werden bei den Ermittlern Kindheitstraumata wach, und es bohrt das schlechte Gewissen erinnerter Versäumnisse. Regisseur und Drehbuchschreiber Alexander Adolph verbeugt sich tief vor dem Original, ohne der Versuchung zu erliegen, die gleiche Geschichte nochmals zu erzählen. Das wäre nach dem Wegfall der innerdeutschen Grenzen auch nur satirisch möglich gewesen. Der Drehbuchschreiber von damals, Friedhelm Werremeier, und Hans Peter Hallwachs, der 1970 den attraktiven DDR-Oberleutnant Peter Klaus spielte, treten kurz auf. Die Parallelen liegen aber eher in den Details: Die von zwei Männern umworbene Frau sieht der Dame aus dem alten Film frappant ähnlich. Das Machogehabe ihrer Liebhaber auch. Und in beiden Fällen richtet sich eine unmoralische Handlung schliesslich gegen ihren Verursacher.
Wie nebenbei reflektiert dieser Jubiläums-«Tatort» aber auch den Generationenwechsel und die veränderten Ermittlungsbedingungen. Wo Trimmel noch eskalationsfreudig seine Verdächtigen in deren Wohnzimmer bedrängte, ist im Jahr 2016 psychologisches Feingefühl gefragt. Am Ende ist Schwäche zeigen tatsächlich die bessere Überlebensstrategie.
«Taxi nach Leipzig» ist ein waghalsiges Lenkmanöver, das den «Tatort»-Zuschauer entgegen jeder «Tatort»-Logik aus der Komfortzone lockt. Selten fühlte man sich in einem «Tatort» so häufig auf der Überholspur, selten hat man so ums Leben seiner Lieblingskommissare gefürchtet. (jst.)
Hinweis: Jubiläums-«Tatort – Taxi nach Leipzig». Sonntag, 20.05, SRF 1.
Der Einstieg der Schweiz ins «Tatort»-Business war auch ein Ausstieg. 1990 präsentierte Regisseur Urs Egger im ersten «Tatort» einen Ermittler, der zugleich Täter war. Wachtmeister Walter Howald aus Bern schwängerte am Ende von Folge eins seine Tochter und erschoss sich gleich selbst. Der letztes Jahr auch im echten Leben verstorbene Darsteller Matthias Gnädiger soll den vorschnellen Schritt ins Jenseits nach der positiven Resonanz bereut haben, schreibt das deutsche Internetportal «tatort-fundus».
Nach Howald übernahm dessen Assistent Reto Carlucci (Andrea Zogg). Am längsten hielten sich in Bern Philipp von Burg (Laszlo I. Kish) und Markus Gertsch (Ernst C. Siegrist). Als von Burg sich 2001 endgültig von Bern verabschiedete, um nach Scotland Yard zurückzukehren, tat er das in Gedichtform: «Haltet die bösen Buben fern von meinem Bern.» In der Abschlussfolge mit dabei als böse Randfigur: Stefan Gubser.
Danach war die Schweiz für ein paar Jahre kein «Tatort» mehr. Ab 2008 schipperte Stefan Gubser als Kommissar Flückiger schliesslich in der Rolle eines Thurgauer Seepolizisten auf dem Bodensee herum und durfte drei Folgen lang mit der Bodensee-Kommissarin Klara Blum flirten. 2011 ist seine Kommissarenfigur für das beliebte Krimi-Format in Luzern sesshaft geworden. Seit der zweiten Folge steht ihm Liz Ritschard (Delia Mayer) an der Seite. Anfang Jahr wurde der zehnte Luzerner «Tatort» ausgestrahlt. Seit einiger Zeit simst Flückiger wieder intensiv mit einer Frau. Wann wir sie zu Gesicht bekommen, hat er uns kürzlich in einem Interview verraten: «In der übernächsten Folge ist es dann so weit.»
(jst.)
Ranking Den schlechtesten «Tatort» hat laut einer Rangliste des deutschen Internetportals «tatort-fundus» ein Innerschweizer verbrochen. 1998 drehte der Nidwaldner Urs Odermatt eine Low-Budget-Folge mit den Berliner Kommissaren Ernst Roiter und Michael Zorowski. Zwecks Kostenoptimierung wurde mit der Handkamera gedreht. 30 Regisseure wollten sich am Drehbuch von «Ein Hauch von Hollywood» nicht die Finger verbrennen. Erst der für seine radikalen Filmexperimente bekannte Odermatt («Der böse Onkel») griff zu.
Seine «Trash-Granate», wie ein Internet-User den Film kommentiert, ist eine unterhaltsame Satire aufs deutsche Filmgeschäft, in der sich die auftretenden Figuren allein in Plattitüden und Filmzitaten unterhalten. Martin Wuttke, der später als Leipziger Kommissar Andreas Keppler bekannt wurde, spielt einen gescheiterten Schauspieler im Rollstuhl.
Bis heute scheint niemand diese Satire so richtig als Satire verstanden zu haben. Dem deutschen Magazin «Freitag» verriet der Regisseur, er habe seinen «Tatort» auf Wunsch des Senders sogar «zähmen» müssen.
Bei der Ausstrahlung wich man trotzdem erstmals in der «Tatort»-Geschichte von der heiligen Sonntagabendregel ab: Der Film lief montagabends um 23 Uhr, um auch noch den letzten Zuschauer vom Fernsehschauen abzuhalten. Das Versteckspiel ging auf. Die Zuschauerquote fiel auf 15 Prozent
(jst.)
KuriosesDie Faktenlage über den «Tatort» ist gut. Hier die Schlüsse, die man daraus ziehen kann.
Lehrreich: Das Drehbuch zum ersten «Tatort – Taxi nach Leipzig» (1970) wurde in einem schwedischen Schulbuch für Deutsch abgedruckt.
US-Export: In den USA heisst die «Tatort»-Reihe «Scene of the Crime». Die Folge von US-Regisseur Samuel Fuller lief dort 1972 unter dem Titel «Dead Pigeon on Beethoven Street» in den Kinos.
Verwandtschaft: Die Mutter von Ermittlerin Charlotte Lindholm wird von Maria Furtwänglers leiblicher Mama gespielt. Auch Til Schweigers Tochters Luna durfte schon mitspielen: als Tochter.
Häufige Todesarten: Tod durch Erschiessen (856), Erschlagen (254), Vergiften (175).
Kuriose Todesarten: Tod durch einen mit Zyankali getränkten Tampon, Tod durch Kuss (Opfer hatte Nussallergie), Tod durch Pfeil und Bogen. Andere Methoden: zu Schnaps brennen, aufspiessen, häckseln, gefriertrocknen. Im «Tatort – Tod im Elefantenhaus» von 1987 war der Mörder ein Elefant.
Leichenrekordhalter: Murot/Wiesbaden, «Im Schmerz geboren», 51 Leichen. Lannert und Bootz/Stuttgart, «Im gelobten Land», 26 Leichen. Lürsen und Stedefreund/Bremen, «Der hundertste Affe», 25 Leichen.
Verspätung: Im «Tatort – Kindergeld» (1982) taucht der Kommissar erst in Minute 80 auf.
Outfit: Die berühmte Schimanski-Jacke ist eigentlich eine M65-Feldjacke, die 1965 bei der US-Armee eingeführt wurde. Schauspieler Götz George hatte sie in einem Army-Shop entdeckt.
(jst.)
Alkoholkontrolle Bei der Charakterzeichnung seiner Ermittler greift der «Tatort» zur Flasche. Alkohol ist eben doch eine Lösung, wenn es darum geht, den Ermittler ins proletarische oder gutbürgerliche Lager einzuordnen. Am offensichtlichsten geschieht das in Münster. Für den affektierten Gerichtsmediziner Prof. Karl-Friedrich Boerne ist guter Wein und gutes Essen eine Lebensart. Für den zerschlissene St-Pauli-T-Shirts tragenden Antagonisten Frank Thiel tut es auch ein Dosenbier und ein Wurstbrot – Thiel wurde wegen einer alkoholisierten Spritztour bei 2,5 Promille auch schon mal der Führerschein abgenommen.
Auch andere alt gediente Kommissare frönen dem Hedonismus noch mit feierlichen Ess- und Trinkgelagen. So genehmigen sich die Kölner Max Ballauf und Freddy Schenk nach jedem Dienstschluss an der Currywurstbude ihr Feierabendbier. Bodensee-Kommissarin Klara Blum schaut auch mal gern tief ins Glas. Horst Schimanski füllte nicht nur sich selbst, sondern auch Verdächtige zu Ermittlungszwecken mit Alkohol ab.
Zu Beginn der 1970er hatte man zum Alkohol im Dienst ein entspannteres Verhältnis. Der erste Ermittler der Krimi-Reihe, der Hamburger Paul Trimmel, war ein starker Zigarrenraucher, der beim Autofahren den Stumpen nicht aus dem Mund nahm. In seinem Aktenschrank bunkerte er Korn und Cognac. Auf seinen Aussendiensten bediente er sich an der Hausbar von Verdächtigen. Das Feierabendbier hörte selten vor der sechsten Runde auf.
Der langjährige Essener Kommissar Heinz Haferkamp (1974–1980) begoss mit seinem Kollegen Willi Kreutzer das Ende der Nachtschicht mit einem halben Liter Altbier, das er zu Hause in ein Glas umfüllte. Der Münchner Melchior Veigl (1972–1981) teilte Weissbier und Schnitzel mit seinem Dackel. Der Saarländer Raucher und Rotweintrinker Max Palu (1988–2005) lebte wie ein Franzose, bekochte Freunde, und nahm an einem Kochwettbewerb teil. Für Mario Kopper ist das Glas Rotwein zur Pasta Ausdruck seiner Italianità. Klaus Borowksi isst gegen ärztliche Vorschrift Schweinshaxe. Der fast vergessene Berner Kommissar Philipp von Burg trank Whiskey («Bushmills Malt») ohne Eiswürfel und Sherry als Aperitif. Nüchterne Ermittler wie der aktuelle Berliner Robert Karow wirken gegen solche Typen wie Soziopathen.
Ganz so leichtsinnig und unbeschwert trinkt und speist es sich nicht mehr im «Tatort». Das Wallander-Syndrom hat sich ausgebreitet. Die skandinavische Krimikultur mit ihren düsteren Einblicken ins Seelenleben der Ermittler hat auch im «Tatort» Spuren hinterlassen. Kein Wunder. Schliesslich hat der verstorbene schwedische Autor Henning Mankell für den «Tatort» auch schon Drehbücher geschrieben. Der im letzten Jahr abgetretene Frankfurter Kommissar Frank Steier (Joachim Król) hatte ein ernstes Alkoholproblem. Bei Kommissar Daniel Kossik aus Düsseldorf provozierte eine längere Zeche mit Kollege Faber schon mal eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Sein Besäufnis ist Ausdruck einer tiefen Frustration.
Der «Tatort» reflektiert den gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit Alkohol. In den 1970ern war die Kaffee- und Wasserspenderkultur in den Unternehmen noch nicht erfunden. In Fernsehdiskussionsrunden wie beim «Internationalen Frühschoppen» vernebelten die Debattierenden Weisswein trinkend mit ihrem Zigarettenrauch das Fernsehbild.
Auch wenn der Alkohol heute eher ein Problem darstellt als eine Lösung. Der Gesundheitswahn ist im Öffentlich-rechtlichen noch nicht angekommen. Solange der Dresdner Kommissariatsleiter Peter Schnabel über eine Soja-Latte die Nase rümpft, muss man sich vor einem Smoothie zu Dienstbeginn noch nicht fürchten. Auch «Tatort»-Experte François Werner sieht das Ende des Alkohols noch nicht gekommen: «Ich glaube, dass der Trend vom absoluten Nichtrauchen und Nichtsaufen wieder deutlich rückläufig ist. Beim Trinken stärker als beim Rauchen, aber unübersehbar.»
(jst.)