Das Veranstaltungsformat «Endless Bazaar» im Klub Kegelbahn lädt zu Neuentdeckungen in der zeitgenössischen Szenenmusik ein.
Anna-Sophia, eine junge Zürcherin mit brasilianischen Wurzeln, eröffnet den Abend an diesem garstig kalten Dienstag im Klub Kegelbahn an der Luzerner Baselstrasse. Sie schwelgt mit kühlen Pop-Linien über ein elektronisiertes Gewebe aus softem Funk, R’n’B-Sounds und massiv gesetzten Bassbeats. Xzavier Stone steht an den Geräten. Zusammen mit Modulaw produziert er die Musik von Anna-Sophia.
Die Sängerin stellt die fünf Songs ihrer neuen EP «Borboleta» vor sowie zwei unveröffentlichte Tracks. Manchmal wirken sie mit ihrer Kürze eher noch wie Skizzen, aber sie klickern und säuseln gut ins Ohr. Mit dem fett urbanen Soundwerk angerichtet, wie es auch in Berlin, London oder Madrid klingt, macht der zeitgenössische Pop dieses Duos die Trauffer-Schweiz zumindest etwas kosmopolitischer.
Wie aus der Zeit gefallen erscheint die Figur von Bernardino Femminielli, der als Solist das zweite Set des Abends bestreitet. Der Mann mit Schnurrbart im saloppen weissen Anzug erinnert eher an einen mexikanischen Schlagersänger als an einen coolen Zeitgeistsurfer. In Montreal hatte der Kanadier ein Restaurant geführt, bevor er nach Paris zog. «Unter dem Deckmantel eines hypersexuellen und genderfluiden Provokateurs vermischt er verschiedene Ausdrucksformen wie Musik, Performance, Poesie, Film», wird er angekündigt.
In Luzern wird der mysteriöse Selfmade-Künstler zum Chansonnier. Die Musik ist ein schwülstiges Play-back-Gemisch. Die Texte, angesiedelt zwischen Biografie und Fiktion, handeln von realen Erlebnissen und monströsen Fantasien. Wie ein vergessener Bohemien nuschelt Femminielli seine Chansons in den Soundteppich. Dazu raucht er pausenlos, äussert Gedanken, nimmt Kontakt mit Gästen auf, bleibt selbstironisch mysteriös.
Spielt sich der Mann letztlich selber und kreiert daraus eine Bühnenfigur, die es nicht wirklich schafft? Oder ist es die Person, die scheitert? Da ist einer, der seine Unsicherheit, seinen Charme, seine Wut, seine Geilheit, seine Frustration dem Publikum unverfroren vorführt und so zum Künstler wird. Und damit die Figur des Loser-Künstlers mimt, die er (vielleicht) selber ist. So wird in einer zunehmend aufgestylten und austauschbar gewordenen Popwelt plötzlich das Unperfekte und Trashige zum neuen Fetisch.
«Wir wollen Events veranstalten mit Künstlerinnen und Künstlern, die man in Luzern noch nicht kennt», sagt Fabian Riccio. Er hat «Endless Bazaar» zusammen mit Silvan Huber und Linus Rast gegründet. Im Fokus der Reihe steht die zeitgenössisch-elektronische Musik in all ihren Strömungen, aber sie öffnet sich auch für andere Sparten wie Spoken Word, Kunst, Performance und Tanz. Es gibt keine Headliners und keine Bühne. Das übliche Konzertsetting ist aufgehoben.
Als bewusst niederschwellige Plattform bietet «Endless Bazaar» jungen Technikern und Grafikern die Möglichkeit, mitzumachen und ihr Handwerk zu verfeinern. Auch regionale Künstlerinnen und Künstler sollen sich präsentieren und inspirieren lassen können. «Wir koordinieren und kuratieren und sind stets offen für Ideen und Anregungen. Das Musikgeschehen soll möglichst breit und offen abgebildet werden», so Riccio.
Das Trio hat mit viel Herzblut bereits 14 Veranstaltungen durchgeführt. Dazu gehörten Auftritte der Luzerner Elektronik-Garde mit Martina Lussi, Samuel Savenberg und Belia Winnewisser oder kultige Acts wie DJ Lostboi. Riccio weiter:
«Wir bringen Sachen, die man nicht jeden Tag in Luzern hören kann. Es sollen Szenen präsentiert werden, die es schwieriger haben, im Mainstream anzukommen.»
Sein Enthusiasmus ist gross. «Was wir machen, hat ein mega Potenzial für die Zukunft.» Bereits sind drei weitere Ausgaben programmiert. Jetzt braucht es nur noch die Neugier des Luzerner Publikums, sich auf den Bazaar-Groove einzulassen.
Nächste Termine der Reihe: 8. Februar (Astralproject1on / North Naim) und 22. Februar (Ssaliva, Judge Judy JJ). Mehr Informationen unter www.endlessbazaar.ch